Zwischen Straßenstrich und Strip-Schule: Schattenseiten des schillernden Sex-Geschäfts im Osten

Leipzig - Die neue Sexwelle, die nach der Wende aus der Bundesrepublik Deutschland Richtung Osten rollte (TAG24 berichtete), war nicht immer nur bunt und schillernd. Welche Schattenseiten diese neue Welt mit sich brachte, zeigt der zweite Teil der MDR-Doku "Sexshop DDR – Wildwest nach der Wende".

Heidi Wittwer gründete die erste Striptease-Schule der DDR, arbeitet heute als Fotografin.
Heidi Wittwer gründete die erste Striptease-Schule der DDR, arbeitet heute als Fotografin.  © MDR/Noahfilm

Sexshops, Tabledance-Bars und Pornostars: All das konnte man auf einmal haben in der ehemaligen DDR. Das Sexgewerbe hat sich im Osten schnell und teilweise äußerst erfolgreich etabliert.

So auch das der heutigen Fotografin Heidi Wittwer, damals Anfang 30 und Stripperin, aus Leipzig. Sie war mit ihrer Solo-Strip-Show so ausgelastet, dass sie ihr Geschäftsmodell Mitte der 90er Jahre perfektionierte und eine Agentur gründete.

Nun konnte man für Geburtstage, Firmenfeiern usw. weibliche oder männliche Stripper bei ihr "bestellen". Das Angebot wurde gern und rege genutzt und auch Anfragen aus dem Rotlichtmilieu nahm sie wahr. Mehr als Darbietungen erlaubte sie jedoch nicht, anfassen war verboten.

Dicke Luft bei Pia Tillmann! Darum spricht sie vor Hochzeit von "Unverschämtheit"
Unterhaltung Dicke Luft bei Pia Tillmann! Darum spricht sie vor Hochzeit von "Unverschämtheit"

1992 gründete die Stripperin sogar die erste Striptease-Schule Deutschlands. Sowohl Profis als auch Amateure konnten sich hier für 39 D-Mark pro Stunde die Grundlagen beibringen lassen, egal ob für die Bühne oder den privaten Hausgebrauch.

Und das Geschäft boomte, wie Heidi erzählt: "Jeder wollte strippen lernen!"

Ob zu professionellen oder privaten Zwecken, Heidi brachte jeder und jedem Interessierten das Strippen bei.
Ob zu professionellen oder privaten Zwecken, Heidi brachte jeder und jedem Interessierten das Strippen bei.  © Screenshot/MDR-Mediathek

Auf der einen Seite Partystimmung, auf der anderen Straßenprostitution

Wolfgang "Wolle" Förster betreibt den Nachtclub "Klax" schon seit über 30 Jahren.
Wolfgang "Wolle" Förster betreibt den Nachtclub "Klax" schon seit über 30 Jahren.  © Screenshot/MDR-Mediathek

Ebenso erfolgreich war Wolfgang "Wolle" Förster, seit 1990 Betreiber der legendären Nacht- und Tabledance-Bar "Klax" in Dresden.

Der damalige Rotlichtkönig der sächsischen Hauptstadt hatte mit seinem Etablissement den Nerv der Zeit getroffen und profitierte anfangs vor allem vom den Entwicklungshelfern aus dem Westen, die unter der Woche viel Geld in seinen Laden brachten.

Die Hochkonjunktur der ersten Jahre flaute jedoch schnell wieder ab. Während sich so mancher Bürger der ehemaligen DDR noch der Partystimmung hingab, standen andere am Existenzabgrund.

Romina Palm offen und ehrlich: Dieses Baby-Geschlecht wünscht sie sich
Unterhaltung Romina Palm offen und ehrlich: Dieses Baby-Geschlecht wünscht sie sich

Zahlreiche Volkseigene Betriebe (VEB) wurden geschlossen, plötzlich von Arbeitslosigkeit betroffene Menschen suchten händeringend nach Alternativen. Um schnell viel Geld zu verdienen, gingen viele Frauen anschaffen, so auch auf dem Straßenstrich in der Leipziger Roscherstraße.

Hier reihte sich zum Zwecke der Prostitution Wohnwagen an Wohnwagen, 100 D-Mark kostete der schnelle Sex im Campingwagen. Auch westdeutsche Frauen kamen extra nach Leipzig, weil das "horizontale Gewerbe" damals im Osten noch eine Marktlücke war.

Doch schnell ergaben sich Rivalitäten zwischen ost- und westdeutschen Zuhältern, immer öfter arteten Revierkämpfe in brutale Auseinandersetzungen aus. Die Polizei war anfangs heillos mit der Situation überfordert.

Schon zu Beginn der 90er Jahre hatte er damit den Nerv der Zeit getroffen.
Schon zu Beginn der 90er Jahre hatte er damit den Nerv der Zeit getroffen.  © Screenshot/MDR-Mediathek

Sex gegen Geld allmählich auch im Osten Teil der Marktwirtschaft

Auf Leipzigs und Dresdens Straßenstrichen reihten sich in den ersten Jahren die Wohnwagen aneinander, in denen die Prostituierten ihren Geschäften nachgingen.
Auf Leipzigs und Dresdens Straßenstrichen reihten sich in den ersten Jahren die Wohnwagen aneinander, in denen die Prostituierten ihren Geschäften nachgingen.  © Screenshot/MDR-Mediathek

Erst mit der Zeit bildeten sich Sondereinsatzkommandos, die sich mit dem kriminellen Umfeld der Prostitution befassten. Im Frühjahr 1993 schließlich wurde der Straßenstrich in der Roscherstraße geräumt.

Es folgten Prozesse gegen mehrere Zuhälterbosse, so auch am Leipziger Landgericht unter anderem wegen mehrfachen versuchten Mordes, Waffenbesitzes und schwerer Körperverletzung.

Die Nähe zum Rotlichtmilieu hatte auch für Wolle Förster nicht nur Vorteile. Viele Zuhälter kamen nach ihrer Schicht noch in seinen Club, sorgten dort teilweise für Unruhe. "Es gab Zeiten, in denen die die Dresdner Szene übernehmen wollten", so der Nachtclubbesitzer.

Nachdem die Straßenprostitution abgewickelt worden war, eröffnete in Leipzig 1994 das erste Eros-Center. In der Hoffnung, die unkontrollierte Prostitution damit in den Griff zu kriegen, unterstützte die Kommune das Bordell.

Gegen 200 Mark Miete pro Tag empfingen die Frauen, die diesen Weg oft wählten, um ihren Kindern etwas bieten zu können, ihre Freier in anonymen, aber auch familiären Wohnungsbordellen, Putz- und Wachpersonal inklusive. Was in DDR-Zeiten heimlich passierte, gehörte nun auch hier zur Marktwirtschaft dazu: Sex gegen Geld!

Wer sich die zweiteilige Doku "Sexshop DDR – Wildwest nach der Wende" komplett anschauen möchte, findet Sie in der MDR-Mediathek.

Titelfoto: Bildmontage / Screenshots/MDR-Mediathek

Mehr zum Thema Unterhaltung: