Nico (†19) nahm sich das Leben: "Lange gedacht, er kommt zur Tür rein, aber da kam halt keiner"
Im folgenden Text geht es um Suizid. Falls Dich dieses Thema belastet, sei bitte achtsam beim Lesen.
St. Wedel - Suizid ist ein Tabu-Thema. Niemand möchte darüber sprechen und doch sind unmittelbar Millionen Deutsche davon betroffen. Auch Nico (†19) hinterließ mit seiner Entscheidung eine tieftraurige Familie.

Unter den rund 10.000 Menschen, die sich Jahr für Jahr in Deutschland für ein freiwilliges Ableben entscheiden, ist auch Nico. Als Mann gehört er zu den drei Vierteln, die sich deutlich häufiger suizidieren als Frauen. Ein globales Phänomen.
Der damals depressive 19-Jährige beendete sein Leben im Herbst 2014. Ein großer Schock für Familie Kelter.
"Man muss sich vorstellen, in einem Flugzeug in völliger Dunkelheit zu sitzen. Dann kommt jemand, gibt dir diese Nachricht in 10.000 Metern Höhe und du wirst einfach aus dem Flugzeug geworfen", beschreibt es Papa Mario.
Emil ist erst sieben, als er seinen großen Bruder verliert. Ihm fällt es schwer, über seine Gefühle zu sprechen, bricht im Interview mit "Terra Xplore"-Reporter Leon Windscheid (36) immer wieder in Tränen aus.
"Der Kopf ist komplett leer, du kannst keinen klaren Gedanken mehr fassen", erzählt Mama Sandra. Sie hat "lange Zeit immer gedacht, er kommt noch mal zur Tür rein, aber da kam halt keiner".
Familie Kelter verliert ihren Sohn: "Das wird uns bis zu unserem Lebensende begleiten"

So schwer es der saarländischen Familie auch fällt: "Man muss drüber reden und wenn es einem schlecht geht, nicht für sich behalten. Die Wunde geht mal zu, dann geht sie wieder auf und dann wieder zu. Das wird uns bis zu unserem Lebensende begleiten."
Für Nico haben sie an einem Feldweg einen Kastanienbaum gepflanzt, weil er bei Spaziergängen immer die Taschen voller Kastanien gehabt habe. Und auch im Alltag mussten die Kelters einen Weg finden, mit dem scherzhaften Verlust umzugehen. Es entwickelten sich Routinen wie das Backen seines Lieblingskuchens zu jedem seiner Geburtstage.
Dass das Wort "Selbstmord" nicht mehr verwendet wird, dafür plädiert Prof. Dr. med. Ute Lewitzka. Sie ist Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention und sagt, dass das Wort "Mord" eine strafbare, böse Handlung impliziert.
"Wir würden damit die Betroffenen noch mal bestrafen, weil die schon in einer großen Not sind und ein Leiden haben", so die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.
Typische Anzeichen für depressive Phasen oder suizidale Gedanken sind das Vernachlässigen der eigenen Hobbys, Traurigkeit, Schlaflosigkeit, genereller Rückzug aus dem sozialen Umfeld und Verhaltensänderungen. Bekommt Ihr bei einer Euch nahestehenden Person so etwas mit, sprecht sie darauf an, rät Lewitzka.
Drei Teile der Doku "Terra Xplore – Wie viel Tod gehört zum Leben?" sind ab sofort in der ZDF-Mediathek abrufbar und laufen ab 13. April immer sonntags um 18.30 Uhr im ZDF.

Titelfoto: ZDF/Marius Fuchtmann