Querdenker-Effekt: Wenn auch Freundschaften am Virus zerbrechen
Von Björn Strauss
Berlin/Leipzig - Was ist nur mit der Gesellschaft in den vergangenen Monaten passiert? Das Coronavirus breitet sich aus - genauso wie ein Riss, der durch das Land geht. Aber sind alle Gegner der Pandemie-Maßnahmen Nazis? Warum brechen Freundschaften auseinander? Wie kann man das Auseinanderdriften aufhalten?
Das ZDF "zoomt" sich ran an die Menschen, die dem ganzen Maßnahmen-Katalog entgegenstehen oder den "Aufbau einer Diktatur" befürchten.
Trotz der zweiten, schlimmeren Corona-Welle derzeit und akut steigender Todeszahlen verstummt der Protest der selbst ernannten "Querdenker" nicht. Ist dieser Protest gefährlich für die Gesellschaft?
ZDF-Zoom-Reporter Jochen Breyer (38) ist dieses Jahr schon zum vierten Mal "Am Puls Deutschlands" unterwegs, sucht das Gespräch mit denen, die gegen die Hygiene-Maßnahmen protestieren.
Unaufgeregt, nachfragend und MIT "Covidioten" redend, ist der 38-jährige Reporter mittendrin - bei den Demos in Konstanz oder Leipzig. Ihn treibt die Frage um: Warum glauben sie YouTube-Videos mehr als einer seriösen Studie? Und wie denkt die Mehrheit der Deutschen darüber?
"Normale" Bürger*innen, ehemals Erkrankte, Leugner reden mit Breyer
Zu Wort kommt Barbara M. aus der Nähe von Tübingen. Sie ist eine derjenigen, die im Corona-Jahr das Vertrauen in die Politik verloren haben. Sie ist Mutter von drei Kindern, wählte immer rot oder grün – jetzt ist sie "Querdenkerin". "Spätestens beim Lockdown, als alles absolut runtergefahren wurde, habe ich mir ausgemalt: Was passiert hinter den Türen, was macht das mit den Menschen? Ich kann nicht vor allem Angst haben und mich verstecken", sagt sie im Interview.
Auch Rainer Koschorz (58, Kabarettist der "Leipziger Pfeffermühle") erklärt seine "Skepsis". Er ist mit den Maßnahmen der Politik "unzufrieden"; erkennt "keine Pandemie". Versteht den Reporter Breyer nicht, der wiederum den Kabarettisten nicht versteht...
Die "Querdenker"-Proteste heute vergleicht der Leipziger Schauspieler mit den Montagsdemonstrationen von 1989: "Wir wurden jahrelang in der DDR falsch informiert. Wir haben ja gespürt, was in der Zeitung stand, wie es in der Wirtschaft aussah. Da ist man als DDR-Bürger sehr sensibilisiert für Dinge, die einfach nicht realistisch dargestellt werden", so der 58-Jährige.
Politik und Bürger in "zerrütteter Situation"
Die unaufgeregte Doku lässt auch einen Wissenschaftler zu Wort kommen: Fehlendes Vertrauen in Politik und Medien erkennt Jörg Sommer (Institut für Partizipation Berlin) bei vielen der "Querdenkern".
Deren Demonstrationen seien unübersehbare Symptome eines Problems, das schon länger bestehe: "Wir sind in einer Situation, in der die 'Ehe' zwischen den politischen Akteuren und kleinen, aber durchaus signifikanten Teilen der Bevölkerung eine zerrüttete Situation darstellt."
Für Sommer geht es darum, mit einer "gewissen Demut" auf die Protestierenden zuzugehen – ohne die "Querdenker"-Bewegung, die inzwischen vom baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachtet wird, zu verharmlosen.
Krankenschwester Miriam S. hat erlebt, wie an der Corona-Frage sogar Freundschaften zerbrechen. Was sie am meisten ärgert: "Wenn Menschen sagen, dass sie sich die Freiheit nicht nehmen lassen. Wo ist bitte schön das Problem? Die Maske schadet doch niemandem."
TV-Tipp: Unter dem Hashtag #wieunscoronaspaltet hat die Zoom-Redaktion Zuschauer*innen aufgefordert mitzureden und so eine breite Palette an Meinungen zusammengetragen.
Am heutigen Mittwoch, 16. Dezember, um 22.45 Uhr, läuft die Doku "ZDFzoom: Am Puls Deutschlands: Der Querdenker-Effekt – Kann uns Corona spalten?". In der ZDFmediathek gibt's die Sendung bereits vorab zu sehen.
Titelfoto: ZDF/Tim Gorbauch