10 Millionen Mal verkauft! So wenig Geld haben "City" für ihren (Welt-)Hit in der DDR bekommen
Von Björn Strauss
Berlin (Ost) - Was hat Ost-Musik von der im Westen unterschieden? Und warum erleben die Hits seit den 90ern eine Wiedergeburt? Wie wenig haben die Künstler von "City" für ihren 10 Millionen Mal verkauften Hit "Am Fenster" bekommen? War Nina Hagens (66) Hit "Du hast den Farbfilm vergessen" ernst gemeint? Antworten auf diese Fragen hat das ZDF geliefert.
"Osthits - Die DDR in 10 Scheiben" - eine interessante ZDF-Doku bringt DDR-Hits zurück ins Gedächtnis - und vor allem deckt sie auf, wie so mancher "Ohrwurm" entstand.
Ab und zu war's gewollte Provokation, aber auch glückliche Zufälle spielten bei der Entstehung häufig eine Rolle.
Musik war politisch, sie sollte in der DDR niemals nur um ihrer selbst willen gemacht werden. Populäre Musik hatte eine Funktion zu erfüllen. Es ging um "Agitation der Werktätigen", jedoch ebenso um Ablenkung und Zerstreuung.
Was sich erst nach der Wende richtig durchsetzte, war die Tatsache, dass neben jeder Menge Banalem dabei auch Neues, Originäres und Hitverdächtiges entstanden ist.
Von Biermann über Nina Hagen, die Puhdys, Karat bis zu Silly und Pankow
Eine ganz eigene Poesie prägte die alten DDR-Hits, versteckte Text-Passagen sorgten für eine kleine Flucht für viele DDR-Bürger - zumindest in Gedanken.
Und das trotz der Zensur, die zum Beispiel die Kultband "Silly" oft zu spüren bekam. Sie konnten ihre zweite LP nur veröffentlichen, weil sie drei Texte "abschwächten".
Die Künstler waren im Zwiespalt zwischen Auftrittsverbot oder Weitermachen mit kleinen Maulkörben - oder war die Ausreise in den Westen eine Alternative? Silly entschied sich für Text-Änderungen... "Liebeswalzer" konnte erscheinen. Es sind diese meist unbekannten Passagen, die die Doku so wertvoll machen.
Auch über die Entstehung manch "querer" Hits erzählt die ZDF-History-Doku und das ist spannend aufbereitet - mit Interviews und vielem "alten" DDR-Material.
Besonders in den 1970er- und 1980er-Jahren war es die Mischung von sogenannten modernen Rhythmen und deutscher Sprache, bei der im Osten Neuland beschritten wurde. Im Westen landete damals abseits des Schlagers meist nur Englisches in den Charts.
Ost-Hits mit Weltniveau
Anders in der DDR – zunächst aus politischen Gründen. "SED-Chef Ulbricht hatte Mitte der 1960er das Ende der "Monotonie des 'Yeah Yeah Yeah' (und wie das alles heißt)' gefordert. Dem 'angloamerikanischen Imperialismus' sollte gerade bei der Jugend kein Einfallstor geboten werden – und als solches sah man damals Beat & Rock", so das ZDF.
Nicht selten – um die Zensur zu unterlaufen – wurde "zwischen den Zeilen" geschrieben. Das Ergebnis: im besten Falle Osthits – "authentisch, das Lebensgefühl zwischen Elbe und Oder ansprechend, glaubwürdig und erfolgreich".
Und warum waren eigentlich die Geigen-Parts bei "Am Fenster" von "Citys" Hit so lang, von wem stammt der Text? Wer hat das Demo-Band heimlich im Radio-Programm untergebracht? Wir erfahren, dass die Band "trotz zehn Millionen verkaufter Einheiten" vom Hit "Am Fenster" mit 1050 OST-Mark abgespeist wurde!
TV-Tipp: Die Doku erzählt die Geschichte großer Songs aus dem Osten. Von Karat ("Über sieben Brücken") bis zu Nina Hagens "Farbfilm", der "nur eine Schlager-Verarsche" sein sollte, und von "Silly" bis zu "Citys" "Am Fenster" erfahren wir kleine, aber spannende Geheimnisse. Am Montag, um 12.45 Uhr gibt's das noch mal bei ZDFinfo zu sehen, oder jederzeit in der ZDFmediathek.
Titelfoto: ZDF/Robert Cöllen