Wie gefährlich ist True Crime wirklich? "Am schlimmsten sind die Deutschen"

Leipzig - Kaum ein Thema geht momentan weltweit so durch die Decke wie das Genre "True Crime", in dem für Podcasts, Reportagen oder Magazine echte Kriminalfälle nacherzählt werden. Die MDR-Reihe "exactly" setzt sich in ihrem neuen Beitrag kritisch mit dem Hype auseinander.

Für "MDR exactly" beschäftigte sich Reporter Daniel Tautz intensiv mit verschiedenen "True Crime"-Formaten.  © MDR/Christian Uhlisch

Für die Sendung musste Reporter Daniel Tautz tief in die "True Crime"-Welt eintauchen - und wurde von seinen Entdeckungen teils schockiert zurückgelassen, insbesondere bei seinem Besuch bei einer Liveshow des deutschen Podcasts "Weird Crimes" in Hamburg.

Inmitten von 10.000 Zuschauerinnen und Zuschauern war Tautz live dabei, als die verurteilte Straftäterin Ma Anand Sheela (74) unter tosendem Applaus auf die Bühne geholt wurde. Man könnte denken, bei der Frau handele es sich um einen Superstar - und nicht um die treibende Kraft hinter dem ersten und größten Bioterrorismusangriff der US-amerikanischen Geschichte.

Während der Podcast-Liveshow stand Ma Anand Sheela für Selfies und lockere Gespräche bereit, nach kritischen Fragen suchte man vergeblich. Auch eine nachträgliche Stellungnahme der Hosts Visa Vie (37) und Ines Anioli (38) fiel eher dürftig aus.

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"Das war eine der größten Grenzüberschreitungen im deutschen True-Crime-Game", konnte Tautz nach dem Auftritt nur mit dem Kopf schütteln. Und genau da liegt die Krux des Genres: Viele Formate seien nach Einschätzung von Experten einfach nicht ausreichend gut recherchiert und durchdacht, oftmals werden die Angehörigen der thematisierten Opfer nicht mal vorab kontaktiert.

Damit wird eine Retraumatisierung billigend in Kauf genommen - alles im Namen von Entertainment und Kommerz, so die vernichtende Bestandsaufnahme von Kritikern.

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Tausende Menschen besuchten die Live-Tournee des Podcasts "Weird Crimes".  © MDR/Daniel Tautz

Heftige Kritik am "True Crime"-Genre: Angehörige werden retraumatisiert

Das MDR-Team begleitete die Aufnahme des Podcasts "Zeit Verbrechen".  © MDR/Daniel Tautz

Wie viele "True Crime"-Formate sind denn wirklich gut produziert und recherchiert? "Zehn Prozent sind gut gemacht, der Rest ist schlecht", so die knallharte Einschätzung eines Privatermittlers, der im Beitrag unerkannt bleiben möchte.

Er ermittelt seit zehn Jahren im ungelösten Fall Lars Mittank und erhalte fast täglich Presse-Anfragen aus aller Welt: "Aber am schlimmsten sind die Deutschen." Denn die würden oft "einfach drauflos" berichten, ohne Rücksicht auf Verluste. Besonders in Hinblick auf Lars Mittanks Mutter, die sich inzwischen aus der Öffentlichkeit zurückziehen musste, "schüttelt's mich", so der Ermittler.

So müsse man sich bei der Berichterstattung immer die Frage stellen: "Tu ich der Familie gerade was Gutes oder tu ich ihnen was an und steche nach?" Diese Meinung teilt auch Daniel Müller vom "True Crime"-Podcast "Zeit Verbrechen", der vor seinen Berichterstattungen stets erst das Gespräch mit den Beteiligten sucht.

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Sein Podcast erreicht im Schnitt monatlich bis zu sechs Millionen Menschen, in der Spitze sogar doppelt so viele, und gehört damit zu einem der erfolgreichsten Formate im deutschsprachigen Raum. Doch woher kommt diese Faszination? Müller hält vor allem das "Fremdgruseln" für einen wichtigen Faktor: In Deutschland könne man in der Regel friedlich und sicher leben, weshalb die behandelten Fälle etwas "Neues" bieten: "So etwas würde in Mexiko oder im Irak nicht fliegen."

Den kompletten "exactly"-Beitrag "True Crime - Das Geschäft mit dem Mord" könnt Ihr ab sofort in der ARD-Mediathek sehen. Außerdem wird die Sendung um 21.15 Uhr im MDR ausgestrahlt.

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