Verbotene Homo-Liebe zu Hitler-Zeiten: "Widernatürliche Unzucht? Arschlöcher!"

Meuselwitz - Seine Sexualität sucht sich niemand aus, sie wird von der Natur bestimmt. Nicht immer wurden schwule Männer von einem Großteil der Gesellschaft so toleriert, wie heutzutage. "Sisi"-Hauptdarsteller Jannik Schümann (31) begibt sich auf Spurensuche. Und erfährt Tragisches.

Mit Brechstange und Taschenlampe macht sich Schauspieler Jannik Schümann auf die Spur von Rudolf Brazda.
Mit Brechstange und Taschenlampe macht sich Schauspieler Jannik Schümann auf die Spur von Rudolf Brazda.  © ZDF/Michael Khano

Die Nazis wollten, dass alle Menschen unter dem NS-Regime gleichgeschaltet leben. Homosexuelle Männer passten da nicht ins Bild. Sie wurden bekämpft. Mit Verfolgung. Mit Verhaftung. Ja sogar mit Mord.

"Das sind Schicksale, die gehört werden müssen. Weil die Geschichten der homosexuell Verfolgten einfach so noch nicht an die Öffentlichkeit gekommen sind", sagt der offen schwul lebende Schümann in der ZDFinfo-Doku "Verbotene Liebe - Queere Opfer der NS-Diktatur".

Er macht sich auf den Weg nach Meuselwitz. In einem leerstehenden Mietshaus der im thüringischen Kreis Altenburger Land gelegenen Kleinstadt geht er ins frühere Wohnhaus von Rudolf Brazda (†98). Er gehörte 1930 zum "Meuselwitzer Freundeskreis", eine offen homosexuell lebende Clique. Von den Einwohnern wurden sie toleriert, erst später von den Nazis verfolgt.

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"Wir haben uns nicht versteckt vor den Leuten. Was sie gedacht haben, ist uns egal gewesen", sagte Brazda in einem Interview kurz vor seinem Tod im Jahr 2011.

Schwuler Sex war ab 1871 ein Verbrechen.In Paragraf 175 stand: "Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht missbrauchen lässt, wird mit Gefängnis bestraft." Zuerst war nur Analsex strafbar, später alle homosexuellen Handlungen.

In Brazdas ehemaligen Wohnhaus im thüringischen Meuselwitz will er Hinweise zusammensuchen.
In Brazdas ehemaligen Wohnhaus im thüringischen Meuselwitz will er Hinweise zusammensuchen.  © ZDF/Michael Khano
2008 besuchte Rudolf Brazda das Denkmal für die vom NS-Regime verfolgten Homosexuellen in Berlin. Drei Jahre später stirbt er im Alter von 98 Jahren.
2008 besuchte Rudolf Brazda das Denkmal für die vom NS-Regime verfolgten Homosexuellen in Berlin. Drei Jahre später stirbt er im Alter von 98 Jahren.  © Klaus-Dietmar Gabbert dpa/lbn

Rudolf Brazda stirbt als letzter schwuler Zeitzeuge: "Was die alles rausbekommen haben. Arschlöcher!"

Mit "Rosa Winkel" wurden Homosexuelle in den Konzentrationslagern kenntlich gemacht. Sie mussten ihn sich selbst auf die Kleidung nähen.
Mit "Rosa Winkel" wurden Homosexuelle in den Konzentrationslagern kenntlich gemacht. Sie mussten ihn sich selbst auf die Kleidung nähen.  © ZDF/Gwen Böttger

Nachdem die Nazis 1933 an die Macht kommen, muss auch Rudolf Brazda mehrfach vors Altenburger Landgericht. Dort gesteht er nach vier Wochen U-Haft seine Homosexualität, die als "widernatürliche Unzucht" bezeichnet wird. "Mein lieber Mann. Denk mal, was die alles rausbekommen haben. Arschlöcher!"

Nach 14 Monaten Haft wird Brazda 1941 ins KZ Buchenwald gebracht. Ein für die Beobachtung anderer Häftlinge beauftragter Funktionshäftling missbraucht Brazda dort sexuell, dem dafür mehr Essen und leichtere Aufgaben zugewiesen werden.

Brazda überlebt, vielleicht auch deswegen, das KZ, das 1945 von US-amerikanischen Soldaten befreit wird.

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2011 stirbt Rudolf Brazda als letzter Zeitzeuge, der den rosa Winkel trug. Trotz des unfassbaren Leids und der Verfolgung, die ihm widerfahren sind, wurde er stolze 98 Jahre alt.

Archive und ihre enthaltenen Akten sind Grundlage für das Nachzeichnen von Verfolgungsgeschichten.
Archive und ihre enthaltenen Akten sind Grundlage für das Nachzeichnen von Verfolgungsgeschichten.  © ZDF/Michael Khano

TV- und Streaming-Tipp: "Verbotene Liebe - Queere Opfer der NS-Diktatur" gibt es ab sofort in der ZDF-Mediathek. Am 27. Januar läuft die Sendung zudem ab 21 Uhr auf ZDFinfo.

Titelfoto: Bildmontage: ZDF/Gwen Böttger, Klaus-Dietmar Gabbert dpa/lbn

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