Als in Leipzig plötzlich Babys starben - und die Eltern nichts von den Morden erfuhren

Leipzig - Wenn Kinder vor ihren Eltern sterben, sind Schmerz und Trauer unermesslich. In den Jahren 1985 und 1986 kam es in der städtischen Frauenklinik Leipzig zu rätselhaften Todesfällen von vier Neugeborenen, schließlich schaltete sich die Stasi ein - wegen Mordes. Was mit ihren Babys geschehen war, sollten die Angehörigen allerdings nicht erfahren ...

Heute das Museum in der "Runden Ecke" - früher der Sitz der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit in Leipzig.
Heute das Museum in der "Runden Ecke" - früher der Sitz der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit in Leipzig.  © Peter Endig dpa/lsn

"Die Ursachen, die wir nicht so genau zuordnen konnten, das war das Beunruhigende", erinnert sich die ehemalige Oberärztin Helga Lemme in der aktuellen Folge der MDR-Sendung "Kripo live - Tätern auf der Spur" an die mysteriösen Kindstode.

Eine toxikologische Untersuchung brachte dann das Ergebnis: Die Säuglinge hatten Digitoxin im Blut - ein Herzmedikament, das bei Überdosierung tödlich wirkt. "In dem Moment war mir also klar, dass hier praktisch Vergiftungen an den Kindern vorgenommen worden sind", so Lemme.

Der leitende Arzt wandte sich daraufhin an den Leiter der Stasi-Bezirksverwaltung Leipzig. Sein Rat: Anzeige erstatten - doch nicht bei der Kripo, sondern bei der Stasi.

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"Es war eine sehr schwere Straftat, es war eine Straftat, die die Bevölkerung verunsicherte und es war eine Straftat, die eigentlich nicht vorkommen sollte und deshalb geheim gehalten werden musste", weiß Historiker Roger Engelmann.

Die sogenannte Spezialkommission der Stasi wurde eingesetzt. "Wenn die Staatssicherheit das wollte, konnte sie so einen Fall auf eine Art und Weise untersuchen, dass die Kriminalpolizei gar nicht involviert war. Die Staatssicherheit war der große Bruder, der letztendlich bestimmte, welche Angelegenheiten es in seinen Zuständigkeitsbereich zog und gilt dann also in den 70ern, vor allem in den 80er-Jahren als die Deluxe-Abteilung in diesem Bereich", erklärt Engelmann.

Im Verborgenen: Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Die Eltern der getöteten Babys erfuhren nicht, was mit ihren Kindern passiert war. (Symbolbild)
Die Eltern der getöteten Babys erfuhren nicht, was mit ihren Kindern passiert war. (Symbolbild)  © Sebastian Gollnow/dpa

Der Historiker ordnet ein: "Deshalb [wird sie] dann auch für die Aufklärung besonders schwerwiegender Taten eingesetzt, wo man von vornherein schon wusste, dass die keinen politischen Hintergrund haben konnten, also wie Serienmorde oder ähnliches."

Bei der Untersuchung des Krankenhaus-Personals wiesen sich die Ermittler der Spezialkommission mit Kripo-Papieren aus - die Mitarbeiter hatten also keine Ahnung, dass sie eigentlich von der Stasi befragt wurden.

Schließlich wurde die 20 Jahre alte Krankenschwester Simona K. wegen Mordverdachts festgenommen. Die in U-Haft sitzende 20-Jährige gestand am zweiten Tag, das Mittel gespritzt zu haben - ihrer Aussage nach ohne Tötungsabsicht.

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Vier Morde und ein Mordversuch wurden der Krankenschwester vorgeworfen. Der Prozess, bei dem Simona K. eine lebenslange Haftstrafe erhielt, fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt - auch die Eltern der getöteten Babys bekamen keinerlei Information.

Besonders makaber: Die Eltern wurden nicht nur darüber im Unklaren gelassen, wie ihre Kinder starben, sondern mussten zusätzlich stundenlange Verhöre und monatelange Überwachung über sich ergehen lassen. Die Aufforderung der Stasi: Geheimhaltung.

Weitere Hintergründe, das Motiv und das Schicksal von Simona K. erfahrt Ihr am heutigen Mittwochabend ab 21.15 Uhr bei "Kripo live - Tätern auf der Spur" im MDR oder schon jetzt in der Mediathek.

Titelfoto: Montage: Peter Endig dpa/lsn; Sebastian Gollnow/dpa

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