Zu viel ist manchmal zu wenig! Überambitionierter Tatort aus Berlin mit neuer Kommissarin
Berlin - Einstieg nach Maß oder zu überambitioniert? Die neuen "Tatort"-Folgen mit neuer Kommissarin an der Seite von Kommissar Karow hat 'ne Menge zu bieten. Vielleicht jedoch eine ganze Idee zu viel.
Praktisch zu viel von allem: Racial Profiling, Verrat in der Truppe, Waffenschmuggel, rechte Strukturen an der Polizei-Akademie, Verfassungsschutz hier, "Ermittlungen nationaler Tragweite" da, zunächst ein Mord als Selbstmord, Bundeswehr, False-Flag-Aktionen, rechte Chats & Tattoos, Gendern samt „:Innen“, Schlagworte von "Germanen" und dem "WAR Tag X" fallen, Netzwerke bis ganz nach "oben", eine Todesliste, selbst Corona wird dem Fan noch in kleinen Portionen vorgesetzt – musste das sein?
Eigentlich fehlt nur noch die Berliner Drogenkriminalität und "Lügenpresse". Offenbar war die Themenbandbreite für die "Tatort"-Macher allzu breit – "Nichts als die Wahrheit" (so der Titel) braucht zwei volle Folgen, um das Ganze aufzudröseln…
Interessant ist’s, aber thematisch eben auch an mancher Sequenz sinnlos aufgebläht.
Berliner "Tatort" will zu viele Themen abarbeiten
Es ist zwar spannend, irgendwie ein bisschen "Homeland" für Arme. Ok, "dit is Berlin, wa" – aber ein wenig über-raffiniert kommt der Einstieg für Corinna Harfouch (68), die Neue, die nach zwölf Jahren als Dozentin wieder in den Polizeidienst wechseln muss, schon daher – da entfährt es selbst Karow "Ach Du Scheiße! Es ist wirklich größer…"
Und just, als der Fall aufgeklärt scheint, na klar, passiert noch was! Der "Tag X" muss ja noch seinen Tribut zollen. So geht Krimi! Man soll eben nicht "auf nur einem Auge blind sein". Die "Rettung der Demokratie" liegt schließlich in den Armen der neuen Kommissarin.
Regie führte Robert Thalheim (48). Er hatte bisher nur einen SWR-"Tatort" und einen "Polizeiruf 110" im Krimi-Kasten sowie die Agentenkomödie "Kundschafter des Friedens".
Corinna Harfouch macht ihr Ding gut, und auch Mark Waschke (51) als Karow legt sich unrasiert nett ins "Tatort"-Zeug. Irgendwie kommt er besser ohne seine Ex-Kollegin Rubin (Meret Becker, 54) klar, als es im Dortmunder "Tatort" rührselig dargestellt wird – im Gegensatz zu Faber (Jörg Hartmann, 53) werden die Fans nicht dauernd an die ausgestiegene Kollegin erinnert.
So isser eben, der coole Karow. Was auf der Strecke blieb? Die frische Leichtigkeit, mit der das Berliner Team einst daherkam.
Ob’s zum "Tag X" kommt? Das seht Ihr Ostern, wenn uns das Spektakel zur Primetime im Ersten geboten wird – also nehmt Euch nichts vor am Ostersonntag – und Ostermontag.
Titelfoto: rbb/Marcus Glah