Hamburg - Die ehemalige Zeugin Jehovas (ZJ) Elena Belperio (30) hat in der NDR-Talkshow "deep und deutlich" über ihre Vergangenheit in der Glaubensgemeinschaft ausgepackt. Sie erzählt, warum sie erst ausgeschlossen und dann wieder aufgenommen wurde - und wie sie den endgültigen Ausstieg geschafft hat.
Sexuellen Missbrauch erfuhr Belperio nach eigenen Angaben im Alter zwischen vier und sechs Jahren durch einen Zeugen Jehovas aus einer befreundeten Familie ihrer Eltern.
"[...] Wir waren im Urlaub zusammen und haben viel Zeit miteinander verbracht und so entsteht natürlich auch sehr viel Vertrauen unter den Menschen, was ohnehin ja schon da ist, weil sie in deiner Glaubensgemeinschaft sind", schildert sie.
Richtig darüber gesprochen habe sie erst mit Anfang 20 – einmal habe sie im Affekt noch als Kind ihrer Familie davon erzählt, aber "[...] die Reaktion war natürlich nicht positiv, es wurde aber auch nicht intensiver in die Hand genommen".
Für ihre erste große Liebe – die nicht Teil der Gemeinschaft war – habe sie dann die Zeugen Jehovas zum ersten Mal verlassen. Woraufhin sie "soziale Ächtung" und "Ausschluss" erfahren habe.
"Du verlierst eigentlich dein komplettes soziales Umfeld. Ich hatte einfach das Glück, dass meine Familie so ist, wie sie ist und wir einen guten Zusammenhalt haben, aber es gibt auch wirklich welche, da tritt man aus und die sprechen nach 20 Jahren immer noch nicht mit dir. Oder vielleicht bis zum Tod reden sie nicht mehr mit dir."
Elena Belperio bat Jehova um ein Zeichen
Nach ihrem Ausstieg habe sie angefangen, die "Welt kennenzulernen". Bis sich ihr Freund von ihr getrennt hat: "Dann habe ich schnell gemerkt, dass ich eigentlich kein soziales Umfeld habe. Und dann fing die Depression an und dann war mein erster großer Suizidversuch [...]."
Schon im Begriff, von einer Autobahnbrücke zu springen, habe sie nochmal innegehalten und in den Himmel geschaut: "Ich habe dann gesagt: Jehova, du kennst mich, seitdem ich klein bin und du hast ja immer gesehen, dass ich ein aufrichtiger Mensch bin und immer ehrlich zu dir war, gib mir ein Zeichen."
Und genau in dem Moment habe sie ein vorbeikommender Fahrradfahrer zurückgezogen. Glück und Unglück zugleich, so Belperio.
Denn nach einem Aufenthalt in einer geschlossenen Klinik sei sie nach diesem Erlebnis wieder zu den Zeugen Jehovas zurückgekehrt und nach drei Monaten auch wieder aufgenommen worden.
Der endgültige Ausstieg sei dann erfolgt, als sie angefangen habe, über ihren Missbrauch zu sprechen. "Ich habe gemerkt, dass hier gar kein Gehör dafür ist und ich gar nicht ernst genommen wurde." Bei der Glaubensgemeinschaft bräuchte man als Beweis für einen Vorfall immer zwei Zeugen – was bei Missbrauchsfällen im Allgemeinen bekanntermaßen eher selten der Fall ist.
"Dann steht Aussage gegen Aussage und eigentlich übergibt man den Vorwurf in Jehovas Hände und die Rechenschaft, die einem passieren kann, kann eigentlich nur passieren, wenn Armageddon kommt, ob dieser Mensch dann quasi vernichtet wird oder ins Paradies kommt."