Schweigen im "Weda Elysia"-Dorf: Warum will niemand über die völkischen Siedler sprechen?
Wienrode - Ein schauriger Schleier des Schweigens scheint sich über Wienrode (Sachsen-Anhalt) gelegt zu haben: Reporter von "exakt - Die Story: Ein Dorf verstummt - Völkische Nachbarn im Harz" versuchen, mit den Einwohnern über die Gruppe Weda Elysia zu sprechen - fast immer vergeblich. Doch woran liegt diese erschreckende Stille?
Das MDR-Team läuft durch die Straßen des Blankenburger Ortsteils und stellt Fragen zu den Siedlern. Allerdings wird während der Recherchen nur eine einzige Anwohnerin offen vor der Kamera reden.
"Die Leute wollen nichts sagen und am besten auch nichts negatives", muss Reporterin Jana Merkel schließlich zusammenfassen. "Das ist echt auffällig, dass in Wienrode so gar keiner ein Wort über Weda Elysia verliert."
Weda Elysia zog 2019 zu und kaufte einen alten Gasthof, der zu einem kulturellen Zentrum umgebaut werden soll. Die Gruppe zeigt sich als Trachten tragende, Bräuche lebende und Öko-Landwirtschaft betreibende "Gärtnerhof-Kleinsiedlung" - und berufe sich auf die russische Anastasia-Buchreihe mit antisemitischen und verschwörungstheoretischen Inhalten. Zudem sollen sie Verbindungen in rechtsextreme Kreise haben.
Eine junge, blonde Frau aus dem Ort zeigt ihr Gesicht und lässt sich von den Reportern interviewen, sie bleibt die Ausnahme. Auf die Frage, ob die "antisemitischen Sachen" für sie ein Problem seien, antwortet sie: "Nö, ich meine, solange jetzt die Bevölkerung nicht darunter leidet, sehe ich das eigentlich nicht als Problem an."
Und weiter: "Jeder wie er möchte, was der Nachbar macht, ist mir im Endeffekt auch schnuppe und solange sie keinen angreifen damit oder bösen Schaden nehmen, ist mir das eigentlich wurscht."
"Sie wollen es nicht riskieren"
Eine andere Person erklärt sich zu einem Telefonat bereit - allerdings mit nachgesprochener Stimme. Es habe Monate gedauert, bis sie sich auf das Gespräch einließ, heißt es im MDR-Beitrag.
"Es gab ja da diese Autoreifen-Stecherei und solche Sachen und sowas möchte man sich halt nicht aussetzen", erklärt die anonymisierte Person. Menschen, die sich kritisch geäußert haben, seien Opfer von Angriffen geworden. "Ich denke, da bräuchte es mehr Handlung von der Politik, von den Ämtern, dass die das nicht stillschweigend dulden."
Linken-Politikerin Ruth Fiedler aus Wernigerode kenne das Problem: Es habe gegnerische Frauen gegeben, die unter Druck gesetzt und zum Teil auch bedroht worden seien. "Deswegen haben damals die Frauen auch gesagt, sie wollen es nicht riskieren, sie leben hier, sie müssen hier weiterhin leben."
Sie hätten sich ebenfalls gewünscht, "dass sich doch auch die Politik stark macht, dass doch mal vom Bürgermeister bis hoch zur Landesebene, dass sich da mal irgendwer stark macht."
CDU-Mann Heiko Breithaupt ist Bürgermeister der Stadt Blankenburg. Er sehe Weda Elysia kritisch, "weil aus meiner Sicht ein Deckmantel der Heimatverbundenheit genutzt wird, um Interessen durchzusetzen, die nach meiner Auffassung nicht unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung entsprechen."
"Schweigen spielt Weda Elysia in die Hände"
Von den Wienrodern erwarte der Politiker: "Wegducken wird's nicht geben können, also an einer bestimmten Stelle muss man sich auch als Einwohner dazu äußern und dazu positionieren und auch sagen: 'Ich stelle mich entgegen.' Das kann ich leider keinem Einzelnen abnehmen." Auch der Ortschaftsrat, das Land Sachsen-Anhalt und das Innenministerium seien gefordert.
"Die Ruhe, Konformität, die hier herrscht, dass sich keiner traut oder keiner etwas in der Öffentlichkeit dagegen sagt, die ist doch wirklich besorgniserregend", so Soziologe Matthias Quent. Er stellt klar: "Schweigen spielt Weda Elysia, spielt allen Rechtsextremen in die Hände, wenn etwas nicht problematisiert wird, dann wird es zum Teil der Normalität."
Aber was tun? "Es gibt eine Reihe von Beispielen aus anderen Kommunen, wo es auf Druck der Zivilgesellschaft dann gelungen ist, die Verwaltung zum Handeln zu bringen", weiß der Rechtsextremismus-Forscher.
Den kompletten Beitrag sehr Ihr in der MDR-Mediathek.
Titelfoto: Montage: MDR/Christian Werner; MDR/Michael Damm