Sächsische Erzieherin darf in Sachsen nicht in ihrem Beruf arbeiten: "Eine völlig absurde Diskussion"
Schneeberg/Leipzig - Die gebürtige Sächsin Claudia Leichsenring (29) ist verzweifelt: Die studierte Pädagogin darf in ihrem eigenen Heimat-Bundesland nicht als Erzieherin arbeiten - trotz Fachkräftemangel. Der Grund: Sie hat in Sachsen-Anhalt einen Abschluss gemacht, der im benachbarten Freistaat nicht anerkannt wird.
Heutzutage ist es völlig üblich: Junge Erwachsene verlassen nach dem Schulabschluss ihr Elternhaus und ziehen für Ausbildung oder Studium in eine neue Stadt.
So auch die 29-Jährige aus Schneeberg. Sie schloss in Magdeburg den Bachelor-Studiengang "Angewandte Kindheitswissenschaften" ab, machte ein praktisches Jahr in Niedersachsen und arbeitete dort zwei Jahre als Erzieherin.
Doch es zog die junge Frau zurück in die Heimat: "Ich war sehr froh, wieder hier zu sein und einfach auch meine Familie um mich zu haben, die Unterstützung zu haben", so Leichsenring in der aktuellen Folge der MDR-Verbrauchersendung "Voss & Team".
Und so bewarb sie sich wieder in einer Kita und bekam auch ein Stellenangebot - doch damit sollten die Probleme beginnen. Der Arbeitgeber benötigt eine Genehmigung über die Eignung der Bewerberin, als staatlich anerkannte Erzieherin zu arbeiten. Die Antwort des zuständigen Landesjugendamts Chemnitz: Der beigefügte Abschluss berechtige gemäß der SächsQualiVO nicht zum Einsatz als pädagogische Fachkraft in einer Kita.
Schock für die Schneebergerin: "Da steht man dann da und fragt sich erst mal, ob die irgendwie, keine Ahnung, verrückt geworden sind." Weiter schildert sie: "Man fühlt sich selbst in seiner Kompetenz beraubt, weil man die gleiche Arbeit nicht mehr ausführen darf, weil sie plötzlich hier im anderen Bundesland keine Wertigkeit hat."
Zudem sei sie traurig und ängstlich geworden: "Weil ich dann halt auch eine kleine Tochter hatte, mein Mann auch noch in Ausbildung ist und jetzt halt auch nicht so viel verdient und wir ein Stück weit auch auf mein Einkommen angewiesen sind."
Leichsenring denkt über neuen Beruf nach
Laut dem MDR-Magazin wurde der 29-Jährigen vom sächsischen Staatsministerium für Soziales angeboten, dass sie Hilfs-Erzieherin tätig sein könnte - unter "Anleitung und Begleitung" durch "Fachkräfte".
Leichsenring erkundigte sich schließlich nach Weiterbildungen. Das Kultusministerium habe daraufhin eine entsprechende Möglichkeit, eine einjährige Fortbildung, vorgeschlagen. Doch es habe sich um einen Fehler gehandelt - das sei mit ihrem Studiengang doch nicht möglich, das Angebot wurde zurückgezogen.
Ursula-Marlen Kruse, die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Sachsen, zeigte sich gegenüber "Voss & Team" fassungslos: "Das ist für mich eine völlig absurde Diskussion, das jemand, der in einem anderen Bundesland einen Abschluss hat, als Erzieherin gearbeitet hat, dass der in Sachsen nicht anfangen kann, bei einem solchen Erziehermangel."
Bezüglich dieses Mangels fragte auch das MDR-Team beim Kultusministerium nach der Verhältnismäßigkeit, "die Verordnung so auszulegen". Die Antwort: Mit 2000 in Sachsen ausgebildeten Erzieherinnen stehe "die Anzahl von Fachkräften, die für die Umsetzung der gesetzlich geforderten Personalausstattung in den sächsischen Kindertageseinrichtungen notwendig ist, zur Verfügung".
Unterdessen denkt die junge Mutter darüber nach, einen neuen Beruf zu erlernen.
Dem Beitrag zufolge stellte das Kultusministerium mittlerweile in Aussicht, dass, wenn ein interessierter Arbeitgeber ausführlich begründe, warum er Leichsenring für geeignet hält, dieser Antrag neu geprüft werde. Ein kleiner Lichtblick.
Die komplette Episode mit weiteren Fällen seht Ihr in der MDR-Mediathek.
Titelfoto: Philipp von Ditfurth/dpa