Stargeiger David Garrett vom Vater mit dem Geigenbogen gedrillt: "Richtig besch***en!"
Erfurt/Leipzig - Er spielte hunderte Konzerte auf der ganzen Welt und wurde zigmal mit Gold- und Platin-Schallplatten ausgezeichnet – David Garrett (41) ist einer der berühmtesten Geiger seiner Zeit, begeistert seine Fans mit einem beeindruckenden Mix aus Klassik und Pop. In der Erfurter Ausgabe des MDR-"Riverboat" spricht er über Erfolgsdruck und Drill in seiner Kindheit.
Nachdem er für Schauspielerin Christine Schorn (78) ein kleines Stück auf seiner Geige gespielt hat, steht er dem Moderatoren-Team Kim Fisher (52) und Jörg Kachelmann Rede und Antwort zu seinem neuen Buch "Wenn ihr wüsstet". Darin berichtet er schonungslos ehrlich darüber, welche Schattenseiten das Leben als "Wunderkind" birgt.
Doch warum jetzt? Zum einen hatte der Musiker natürlich in den vergangenen zwei Jahren recht viel Zeit. Zum anderen habe es diesen einen "Magic Moment" gegeben, in dem er gemerkt habe, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist.
David Garrett ist Vollblutmusiker. "Ich hatte einfach Bock auf die Musik. Ich bin immer gerne Musiker gewesen. Geiger nicht zwingend, aber Musiker. Musik ist Leben, Harmonie, Diplomatie, Zusammengehörigkeit, Grenzenlosigkeit – das ist für mich Musik. Und das lebe ich", so der 41-Jährige. Aber der Weg bis dahin sei "richtig beschissen".
Schon in seiner frühesten Kindheit brachte der Vater ihm und seinem Bruder das Geigespielen bei – weder er noch der ein oder andere russische Lehrer seien zimperlich mit ihm umgegangen.
Da konnte dem kleinen David auch schon einmal ein Geigenbogen um die Ohren fliegen.
Wenn David Garrett überzeugte, war der Familienfrieden gesichert
Auch wenn er sich selbst als "sturen Hund" bezeichnet, habe er als Kind immer den Wunsch gehabt, seiner Eltern gerecht werden wollen. "Druck und Verantwortung waren natürlich da, auch weil ich gemerkt habe, die Stimmung ist gekippt, wenn ich nicht gut abgeliefert habe."
Wenn das nicht geklappt hat, habe sich das oft auf den Familienfrieden niedergeschlagen. "Das fand ich immer ganz, ganz schrecklich. Ich hab mich dafür geschämt, obwohl das im Nachhinein völliger Blödsinn ist." Die Alternative war, perfekt abzuliefern. Trotzdem sagt er heute: "Es kann doch nichts Geileres im Leben geben, als Musiker zu sein."
Er wolle die Methoden seiner und anderer Lehrer auch nicht gutheißen, aber Drill sei ein Teil dieses Geschäfts. Nur, dass alle wegsehen und niemand darüber reden wolle. "Die sagen, das ist alles Talent. Bullshit! Talent: ja. Veranlagung: ja. Üben: ja. Fleiß: ja. Aber Drill: auch, ja. Und das will keiner sehen."
Auch wenn es als Kind nicht einfach gewesen sei, mit dieser Verantwortung und dem Drill umzugehen, hat er heute Frieden mit seiner Vergangenheit geschlossen. "Mein Vater hat unglaublich viel für mich gearbeitet, unglaubliches auch geleistet. Er hat sich das Tag für Tag mit mir angetan", so der gebürtige Aachener.
Deshalb bleibt ihm am Ende nur eines zu sagen: "Dankeschön an meinen Papa, obwohl nicht alles großartig war, es war ein Stück weit alles richtig."
Titelfoto: Stephan Malzdorf