Mit dem Auto nach Kiew und zurück: Andreas aus Sachsen rettet Sohn Daniel (9) aus Kriegsgebiet
Erfurt/Leipzig - Der russische Krieg in der Ukraine beschäftigt seit mehr als einer Woche Deutschland und die Welt. Unzählige Hilfs- und Spendenaktionen werden ins Leben gerufen – die Menschen rücken wieder zusammen und ziehen an einem Strang. Andreas Kroemer (51) aus dem sächsischen Coswig half auch, indem er seinen neunjährigen Sohn Daniel und zwei weitere Kinder aus dem zerbombten Kiew herausholte. Im MDR-"Riverboat", diese Woche erstmals aus Erfurt, erzählt er von seiner bewegenden "Reise".
Eigentlich ist Andreas Kroemer Kameramann beim MDR, hat berufsbedingt schon viel gesehen, doch mal eben in ein Kriegsgebiet aufzubrechen, ist noch einmal etwas ganz anderes.
Erst am Donnerstagabend ist er von seiner siebentägigen Rettungsmission zurückgekehrt – glücklicherweise hat er sein Ziel erreicht und seinen Sohn aus Kiew herausholen können.
Das Wichtigste ist: Daniel und den beiden anderen Kindern geht es den Umständen entsprechend gut, erzählt Vater Andreas im Gespräch mit Moderatorin Kim Fisher (52). Sie alle befinden sich gerade in seinem Haus in Coswig, seine Geschwister kümmern sich um sie.
Doch ein solches Erlebnis hinterlässt auch Spuren. Man möchte sich nicht ausmalen, welche Gefühle einen Menschen ereilen, wenn er erfährt, dass sich das eigene Kind in einem Kriegsgebiet befindet. Auch für Andreas war das ein Schock, als er vergangene Woche aus dem Schlaf schreckte und auf seinem Handy die Meldungen über die Bombenangriffe auf die Hauptstadt der Ukraine sah.
Spätestens nach einem Telefonat mit Daniel, der völlig aufgelöst gewesen sei und gesagt habe "Papa, komm!", sei klar gewesen, was zu tun war. "Da bin ich ins Auto gesprungen, habe gar nicht lange überlegt, und bin Richtung Polen und dann Richtung Kiew gefahren", erzählt der 51-Jährige.
Andreas Kroemer musste Feuerpause nutzen, um Ukraine verlassen zu können
Erst rund 850 Kilometer bis nach Lemberg ganz im Westen der Ukraine, am nächsten Morgen nochmal etwa 550 Kilometer bis nach Kiew. Unzählige Autos kamen ihm kurz vor Kiew entgegen, auch auf seiner Seite der Autobahn. In Richtung Kiew fuhr kaum jemand.
Dennoch hat er kaum an sich selbst gedacht. "Für mich war klar, ich muss das machen, ohne Wenn und Aber. Und ich war mir auch sicher, ich schaff das", so Andreas weiter. Aber: "Wenn ich später so nachdenke, war bestimmt auch Angst dabei."
Vom Anblick Kiews war er schockiert: "Diese Riesenstadt, Millionenstadt – menschenleer!" Als er schließlich an seinem Ziel ankam, musste alles ganz schnell gehen, denn die Feuerpause der Russen sollte am Abend enden. Ein kalter Kaffee und eine Tankfüllung später saß er mit Sohn Daniel und zwei fremden Kindern im Auto und machte sich auf den Rückweg.
Daniels Mutter ist in Kiew geblieben. "Ich hab allen gesagt 'Kommt mit, steigt ins Auto'", doch das wollten sie nicht. Sie hätten geantwortet: "Wir werden nicht unser Land im Stich lassen!"
Der Weg nach Hause gestaltete sich schwierig, dieselbe Strecke zurück konnte er nicht nehmen. Doch Freunde halfen ihm. "Ich hatte ein Pärchen aus Prag, die vorm Rechner saßen, die Informationen gesammelt haben und die mich dann aus der Stadt gelotst haben."
Rückreise über Polen unmöglich, einmal quer durch die Ukraine
16 Stunden nach der Abfahrt aus Kiew, am Sonntagmorgen gegen 6 Uhr, erreichte er endlich die Grenze nach Moldawien. Andreas hielt sich drei Tage lang noch in Grenznähe auf, immer in der Hoffnung, dass er die anderen Kinder zurückbringen könne. Nicht weil er ihnen nicht helfen wollte, sondern weil sie ihre Eltern brauchen.
Nun sind sie erstmal auch in Coswig, alle Verwandten kümmern sich liebevoll um sie. Und kurz vor der Sendung erreichte ihn dann noch eine gute Nachricht: "Die Mütter sitzen im Auto und sind unterwegs nach Dresden."
Sicher ist die schwierige Zeit damit noch nicht vorbei für sie, doch immerhin befinden sich drei kleine Seelen mehr in Sicherheit. Dank Andreas Kroemer!
Titelfoto: Bildmontage / Efrem Lukatsky/AP/dpa / Screenshot/Instagram/camera.13