Machtlos im blutigen Ukraine-Krieg? "Werden zusehen, wie Putin die Dinge in den Griff bekommt"

Berlin/Ukraine - Wie heftig wird Russlands Krieg gegen die Ukraine noch werden? Wie lang dauert er noch an? Weitet er sich auch auf andere Länder aus? Was können wir dagegen tun? Und wie wird sich unser Leben nachhaltig verändern? Diese und weitere Fragen versuchte Experte Christian Neef (70) zu beantworten.

Ukraine-Experte Christian Neef (70) war am Freitag zu Gast im Riverboat.
Ukraine-Experte Christian Neef (70) war am Freitag zu Gast im Riverboat.  © rbb/Thomas Ernst

Die früheren Kriege, z.B. in Afghanistan, Tadschikistan und Tschetschenien habe man als "zu weit weg von uns" abgetan, sagte Neef in der Riverboat-Sendung am gestrigen Freitag. "Wir leben das erste Mal einen Krieg in solch einer Nähe."

Wladimir Putin (69) werde die Ukraine "in jedem Fall besitzen wollen", so der frühere Russland-Korrespondent des SPIEGEL über das Ziel des Machthabers. "Er wird eine neue Regierung errichten, das wäre die beste Lösung für ihn."

Putin wolle die alte Macht Russlands wiederherstellen und brauche dafür die Ukraine als flächenmäßig größten europäischen Staat.

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Um dies zu erreichen, stünden in der Ukraine "genügend prorussische" Personen bereit, die schon immer in der Opposition waren und Putins Ideologie umsetzen würden.

Den jetzigen Konflikt habe man laut Neef kommen sehen. "Der Krieg hat nicht erst gestern begonnen." Den eindeutigen Kurs, den Russlands Oberhaupt fährt, sei vom Westen nicht ernst genommen worden.

Neefs Beobachtungen zufolge seien deutsche Politiker bei Staatsbesuchen Putin "in den Hintern gekrochen. Die haben alle die Wirklichkeit ausgeblendet und wollten mit Putin nicht über das, was in der Ukraine vor sich geht, streiten. Sie wollten einfach Geschäfte machen."

Er nannte in diesem Zusammenhang Frank-Walter Steinmeier (66, SPD), Sigmar Gabriel (62, SPD) und insbesondere Horst Seehofer (72, CSU).

Ukraine-Experte Christian Neef: 80 Prozent der Russen stehen bedingungslos hinter Wladimir Putin

Ein großes Loch klafft aus einem Wohnblock in Kiew nach einem Angriff.
Ein großes Loch klafft aus einem Wohnblock in Kiew nach einem Angriff.  © Efrem Lukatsky/AP/dpa

Dass einige Hundert Russen in ihrem Land gegen den Krieg auf die Straße gehen, sieht der Journalist als Tropfen auf den heißen Stein.

Christian Neef schätzt vielmehr, dass 80 Prozent der Russen bedingungslos hinter Putin stehen. "Selbst Intellektuelle sagen Dinge, die man nicht mehr fassen kann."

In naher Zukunft könne Deutschland in der Ukraine nichts ausrichten. "Wir werden zusehen, wie Putin die Dinge dort in den Griff bekommt, denn wir haben ja keine Möglichkeit, einzugreifen."

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Dass Bundeskanzler Olaf Scholz (63, SPD) dem angegriffenen Land die volle Solidarität zusichere, sei "eine leere Formel. Die ist nicht viel wert!"

Neef schätzt, dass sich unabhängig von Dauer und Ausgang des Krieges auch das Leben in Deutschland auf Jahrzehnte verändern werde: "Es wird eine andere Zeit einbrechen!"

Er nannte unter anderem das Gas-Problem als eines der drängendsten. Mittelfristig werde man die Russland-Abhängigkeit des Gases beseitigen, und die "kampfunfähige" Bundeswehr aufrüsten, die derzeit "sofort von der russischen Armee überrannt werden" würde.

Zerstörung, wohin das Auge reicht. Hier ein ukrainischer Militärtransport.
Zerstörung, wohin das Auge reicht. Hier ein ukrainischer Militärtransport.  © Efrem Lukatsky/AP/dpa

Annalena Baerbock von Russland-Außenminister Lawrow belogen? "Natürlich wurde sie belogen!"

Das politische Vorgehen Putins wurde laut Neef jahrelang falsch eingeschätzt.
Das politische Vorgehen Putins wurde laut Neef jahrelang falsch eingeschätzt.  © rbb/Thomas Ernst

Nicht nachvollziehen konnte der Russland- und Ukraine-Experte zudem, dass Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) angab, bei ihrem letzten Besuch von ihrem russischen Kollegen Sergei Lawrow (71) hinsichtlich des bald beginnenden Krieges belogen worden zu sein.

"Natürlich wurde sie belogen, in der Politik wird oft gelogen", sagte Neef.

"Das ist kindisch zu sagen, er hat mich belogen. Damit muss ich rechnen, wenn ich Außenministerin bin und kann mich hinterher nicht überrascht zeigen."

Das eigentlich Erschreckende sei, dass Dinge von der Politik nach wie vor falsch eingeschätzt worden sein und möglicherweise auch noch werden.


Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) sagte, sie wurde von ihrem russischen Kollegen Sergei Lawrow (71) belogen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (41, Grüne) sagte, sie wurde von ihrem russischen Kollegen Sergei Lawrow (71) belogen.  © Markus Schreiber/Pool AP/dpa

Schauspieler Walter Sittler (69, bekannt u.a. aus der Comedyserie "Nikola") hofft hingegen, dass sich bei Abtreten oder Tod Putins die Denkweise in Russland ändern könnte.

"Ich weiß nicht, wie lang er noch da ist. Es kommen neue Leute. Ich setze auf die jüngere Generation, die nachkommen wird und dann werden wir sehen, ob das auf Jahrzehnte so bleibt..."

Titelfoto: Bildmontage: Efrem Lukatsky/AP/dpa, rbb/Thomas Ernst

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