Gregor Gysi: "Man muss einfach mal zugeben, welche Fehler bei der Einheit gemacht wurden"

Leipzig - Nur wenige Politiker haben in ihrem Leben einen solchen Kult-Status erlangt wie Gregor Gysi (77, Linke). Inzwischen Alterspräsident im Bundestag, nahm sich die Wahlkampf-Silberlocke Zeit, um am Freitag im "Riverboat" mit Kim Fisher und Matze Knop (50) zu sprechen. Dabei ging es nicht nur um sein neues Buch, sondern vor allem um die Deutsche Einheit - und warum wir noch immer mit ihr zu kämpfen haben.

Gregor Gysi (77) war am Freitag zu Gast im "Riverboat".
Gregor Gysi (77) war am Freitag zu Gast im "Riverboat".  © Carsten Koall/dpa

Gysi war zusammen mit Dr. Peter-Michael Diestel (73), seines Zeichens Rechtsanwalt und letzter Innenminister der DDR, in die Talkrunde gekommen, um ihr gemeinsames Buch "Zwei Unbelehrbare reden über Deutschland und ein bisschen über sich selbst" vorzustellen.

Das Besondere dabei: der eine gilt seit jeher als linke Galionsfigur, der andere gehörte nach der Wende der CDU von Helmut Kohl (†87) an und bezeichnet sich auch heute noch als Konservativer.

Was sich in unserer modernen Gesellschaft durch tiefe Gräben voneinander trennt, bringen Gysi und Diestel zueinander. Die beiden Polit-Veteranen sind seit Jahren befreundet, beflügeln sich durch ihre Unterschiede, statt sich voneinander abzuwenden.

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"Unsere Freundschaft, das ist eine ostdeutsche Freundschaft", beschrieb es Rechtsanwalt Diestel. "Wir Ostdeutschen haben uns nicht so sehr in die Partei-Chargen reinpressen lassen. Wir sagen: 'Wenn das ein anständiger Kerl ist, dann bin ich für ihn.'"

Ganz so einfach war der Anfang dann aber doch nicht, wie Gysi einwarf. "Als ich das erste Mal von ihm hörte, war er in der DSU (Deutsche Sozial Union, eine rechtskonservative Kleinstpartei, Anm. d. Red.). Das war für mich rechtsaußen. Ich lehnte ihn also zunächst vollständig ab."

Als jedoch immer wieder DDR-Polizisten auf den einstigen SED-Vorsitzenden zukamen, weil sie um ihre Zukunft fürchteten, suchte Gysi das Gespräch mit dem Ex-Innenminister. "Da hab ich festgestellt, der ist da völlig offen. Er hat gesagt: 'Ich hab doch meine Verantwortung für die und die werde ich auch wahrnehmen.' Da war er mir sympathisch."

Gysi über die Deutsche Einheit: "Den Osten hat man gedemütigt"

Gekommen war er zusammen mit seinem langjährigen Wegbegleiter Dr. Peter-Michael Diestel (73), seines Zeichens Rechtsanwalt und letzter Innenminister der DDR.
Gekommen war er zusammen mit seinem langjährigen Wegbegleiter Dr. Peter-Michael Diestel (73), seines Zeichens Rechtsanwalt und letzter Innenminister der DDR.  © imago/Star-Media

Diestel war es schließlich, der zusammen mit Wolfgang Schäuble (81) den letzten völkerrechtlichen Vertrag zwischen der DDR und der BRD über den Abriss der Grenzanlagen unterzeichnete. Auch heute setzt er sich noch, genau wie Gysi, für die Deutsche Einheit und mehr Anerkennung für die Menschen aus Ostdeutschland ein.

So mahnte der Rechtsanwalt unter anderem: "Wenn die jetzt eine neue Bundesregierung bilden, gibt es viele tolle Kommissionen. Da ist nicht EIN Ostdeutscher dabei. Die Ostdeutschen bringen den Kaffee für die Leute, die dort reden. So geht es nicht. Ich will einfach sagen, es ist ganz wichtig, dass wir das alte Verständnis, was wir mit der Einheit angestrebt haben, wieder aufbauen."

Sein langjähriger Weggefährte forderte indes: "Man muss einfach mal zugeben, welche Fehler bei der Einheit gemacht wurden. Das wäre auch für die Westdeutschen wichtig gewesen, weil wir dann erlebt hätten, dass durch das Hinzukommen des Ostens sich in vier, fünf Punkten ihre Lebensqualität erhöht hat. Ein solches Erlebnis hatten sie nicht. Und den Osten hat man gedemütigt, indem man gesagt hat, ihr habt nichts anderes zustande gebracht außer eines grünen Abbiegepfeils, dem Sandmännchen und dem Ampelmännchen. Das kann man nun aber vergessen."

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Die gesamte Folge mit Gästen wie Gregor Gysi, Dr. Eckart von Hirschhausen und Fußballer Christoph Kramer gibt es als Video-on-Demand in der ARD-Mediathek.

Titelfoto: Montage: Carsten Koall/dpa + IMAGO/STAR-MEDIA

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