Gesine Schwan: "Männer sollten von ihren Kindern erzogen werden"

Leipzig - Es ist ein Thema, das erst seit einigen Monaten mehr und mehr in der Öffentlichkeit diskutiert wird: Gerade durch die Corona-Krise gerieten viele Menschen in eine Depression. Was früher noch als Tabuthema galt, wird heute offener thematisiert, weil es eben nicht mehr als persönlicher Makel angesehen wird, sondern als eine ernstzunehmende Krankheit. Das Bewusstsein dafür wächst. Auch Sozialdemokratin Gesine Schwan (77) erzählte jetzt im Riverboat von der schwierigsten Zeit ihres Lebens.

Gesine Schwan (77, SPD) sprach im Riverboat über Depressionen und ihr Familienleben.
Gesine Schwan (77, SPD) sprach im Riverboat über Depressionen und ihr Familienleben.  © Guido Kirchner/dpa

Denn: Als die Politikerin Mitte 40 war, starb ihr Mann. Sie blieb allein zurück - mit zwei Kindern!

"Das war sehr, sehr schwer. Vor allem nach drei Jahren Krebskrankheit, von der ich wusste, es geht nicht gut aus. Die Kinder waren 14 und 12 Jahre alt, als mein Mann starb. Da ging die Pubertät los. Das war nicht ganz einfach", gibt sie im Gespräch mit Interims-Riverboat-Moderatorin Stefanie Müller-Spirra (37) offen zu.

"Meine Berufstätigkeit war da eher eine Entlastung für mich, ehrlich gesagt, wenn man da eine zweite Welt woanders hat. Aber ich hatte auch genug Geld, mir Unterstützung und eine Haushälterin zu nehmen." Diesen kleinen Luxus haben nicht viele Betroffene in einer solchen Situation.

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Aber auch das konnte Schwan nicht davor bewahren in eine Depression abzugleiten. "Trotzdem sind dann bei mir auch Depressionen aufgetreten, die ich mit ärztlicher und professioneller Hilfe überwinden konnte".

"Alleinerziehende zu sein, ist nicht leicht, wenn man beide Rollen ausfüllen muss. Das habe ich deutlich gemerkt. Man muss alles alleine machen", erklärt Schwan.

Man muss die Balance zwischen Familie und Beruf finden

Gesine Schwan (77) und ihr Mann Peter Eigen (82) sind seit 2004 verheiratet.
Gesine Schwan (77) und ihr Mann Peter Eigen (82) sind seit 2004 verheiratet.  © Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Ihr Job gab ihr Halt und ihre Kinder die Kraft, weiterzumachen.

"Meine Vorteile waren aber, dass ich immer selbstständig war, immer mein eigenes Geld verdient habe und nie jemanden fragen musste. Meine Zukunftsvision ist, dass Paare immer alles partnerschaftlich machen, in einer Gemeinschaft mit dem Partner. Nicht alles an den Staat zu delegieren. Kindergärten sind wichtig, ja, aber Familie ist auch dafür da, dass ein Familienleben geführt wird", findet die Politikerin.

Denn genau diese Balance zwischen Familie und Beruf sei wichtig. "Mann und Frau sollen die Erfahrung machen, da ist Familienleben und auch die Arbeit, beides ist zu vereinen. Und dass Frauen die Erfahrung machen, unabhängig zu sein und nie nach Geld fragen zu müssen. Das finde ich einen Horror", sagt sie.

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"Ich wünsche mir auch, dass Männer von ihren Kindern erzogen werden. Auf Kinder muss man sich einlassen, die kann man nicht einfach in die Ecke stellen. Da lernt man ganz viel Schwäche und Stärke."

Okay, in Zukunft also frei nach Grönemeyer: "Gebt den Kindern das Kommando!"

Titelfoto: Guido Kirchner/dpa

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