Rentnerin braucht Geld fürs Pflegeheim: Ihr Urenkel (11) soll dafür sein Taschengeld zurückgeben

Wurzen - Dreiste Forderungen von einem Amt in Sachsen: Um ihre Unterbringung in einem Pflegeheim zu gewährleisten, soll der Urenkel (11) von Seniorin Anita Herrmann (81) sein von ihr erhaltenes Taschengeld zurückzahlen! Die MDR-Sendung "Voss & Team" nimmt den Fall unter die Lupe.

Anita Herrmann (81) hat Parkinson und wird in einem Heim betreut. Zum Ende des Jahres könnte ihr Platz gekündigt werden.
Anita Herrmann (81) hat Parkinson und wird in einem Heim betreut. Zum Ende des Jahres könnte ihr Platz gekündigt werden.  © Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa

Etwa 2100 Euro kostet Anita Herrmanns Platz in einem Wurzner Pflegeheim, 1660 Euro kann die 81-Jährige selbstständig aus ihrer Rente plus der Witwenrente durch ihren verstorbenen Mann abdecken.

Da sie keine Unterstützung von weiteren Angehörigen erwarten kann, sollte das Sozialamt die übrigen 440 Euro übernehmen - ansonsten droht der Seniorin der Rauswurf aus dem Pflegeheim.

"Das ist undenkbar. Ich kann nicht alleine bleiben, ich muss ins Heim, ich hab große Sorge", so Herrmann, die an Parkinson erkrankt ist.

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Ihre Tochter Kerstin Tietze stellte einen Antrag ans Sozialamt, die übrigen Kosten zu übernehmen. Sie selbst kann ihre Mutter nicht unterstützen. "Ich habe selber keine Rücklagen, muss jeden Monat kämpfen und gucken, wo ich bleibe", bedauert die Mitarbeiterin einer Großbäckerei.

Auf den Antrag hin überprüfte das Sozialamt Wurzen die Vermögensverhältnisse von Anita Herrmann. Bei der Durchschau ihrer Kontoauszüge fiel den Mitarbeitern ein Dauerauftrag ins Auge: Über zehn Jahre hinweg überwies die Seniorin den Eltern ihres Urenkels Karls (heute 11 Jahre alt) 50 Euro Taschengeld im Monat.

"Die Eltern von Karl sind finanziell nicht gut ausgestattet, kommen gerade so zurecht. Von dem Geld haben sie Baby-Sachen gekauft, ein Laufrad, ein Fahrrad, Klamotten", erzählt Karls Oma, Kerstin Tietze.

Sozialamt will Belege für Taschengeld-Ausgaben

Sven Voss (45) moderiert die MDR-Sendung "Voss & Team".
Sven Voss (45) moderiert die MDR-Sendung "Voss & Team".  © MDR/Tom Schulze

Insgesamt, so rechnet das Sozialamt, kommt eine Schenkung von 5750 Euro zusammen.

"Verschenkt oder übergibt ein Hilfesuchender ganz oder teilweise sein Vermögen, dann liegt eine Hilfsbedürftigkeit im Sinne des Sozialhilfegesetzes nicht vor", schreibt das Amt in einem Brief an die Familie.

Die grausame Konsequenz: Urenkel Karl soll seiner Ur-Oma das Taschengeld zurückzahlen - erst, wenn die 5750 Euro für den Pflegeheim-Platz aufgebraucht sind, soll Anita Herrmann Sozialhilfe bekommen!

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"Als der Brief ankam, waren wir so geschockt. Wir können bis heute nicht mit der Situation umgehen", so Kerstin Tietze. Um dem Amt klarzumachen, dass das Taschengeld bereits ausgegeben ist, müsste die Familie Belege für alle Ausgaben vorweisen. Derartige Belege gibt es aber natürlich nicht.

"Sozialämter übertreiben es häufig mit der Vorlage von Belegen. Bei solchen Kleinbeträgen ist es nicht realistisch, dass es Belege über die Ausgaben gibt, um den Verbrauch nachzuweisen. Das kann auch nicht verlangt werden", ist die Meinung von Sebastian Herberg, einem Fachanwalt für Sozialrecht.

Die Forderung des Sozialamts sei in diesem Sinne rechtswidrig.

Das Amt indes möchte sich gegenüber "Voss & Team" nicht zum laufenden Verfahren äußern. Deshalb wendet sich das MDR-Team an die nächsthöhere Instanz, das Sozialministerium in Dresden. Hier soll der Fall noch einmal geprüft werden - doch die Zeit läuft. Schon jetzt geht das Pflegeheim für Anita Herrmann in Vorleistung, um ihr ihren Platz noch zu ermöglichen. Lange geht das aufgrund der knappen Finanzen in der Pflege nicht mehr gut...

Die ganze Folge "Voss & Team" seht Ihr in der MDR-Mediathek.

Titelfoto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa

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