"Polizeiruf 110"-Comeback von Andreas Schmidt-Schaller: "Gewundert, was die von mir wollen"
Halle (Saale) - Neun Jahre lang, von 1986 an, war er ein prägendes Gesicht des "Polizeiruf 110", bevor er 1995 hinwarf. Nun ist er in der angestammten Rolle des Thomas Grawe, mittlerweile im Ruhestand, wieder dabei. Die Rede ist von Andreas Schmidt-Schaller (75).
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Reihe dieses Jahr hat der MDR ein neues Ermittlerteam aus der Taufe gehoben, die Kommissare Henry Koitzsch und Michael Lehmann, gespielt von Peter Kurth (64) und Peter Schneider (Jahrgang 1975, er ist am Donnerstag bei "MDR um 4" live im Studio). Schauplatz ist Halle an der Saale, als Drehbuchautor konnte der Hallenser Schriftsteller Clemens Meyer (43) gewonnen werden.
Dieser erste Film des neuen Teams und 391. der Reihe, mit dem Titel "An der Saale hellem Strande", wird am 30. Mai ausgestrahlt (20.15, ARD).
Schmidt-Schaller, der zwischen 2001 und 2017 in Verkörperung des Kommissars Hajo Trautzschke in der ZDF-Serie "SOKO Leipzig" abermals einen TV-Ermittler spielte, gibt darin den früheren Polizeileutnant Grawe nunmehr als Schwiegervater von Kommissar Lehmann.
Was hat Grawe verbittert werden lassen?
TAG24: Herr Schmidt-Schaller, für die Jubiläumsfolge "Polizeiruf 110" engagiert zu werden ist etwas, was einen altgedienten Schauspieler freut, nehmen wir an.
Andreas Schmidt-Schaller: Ja, sicher. Trotzdem habe ich mich erst mal gewundert und gefragt, was die genau von mir wollen. Dann habe ich vom Konzept erfahren und das Drehbuch gelesen. Beides hat mir gefallen - und ich sagte zu.
TAG24: Die Figur des Kommissars Thomas Grawe prägt Ihr Berufsleben. Was mögen Sie an ihm, was nicht?
Schmidt-Schaller: Grawe ist ein Typ, der unabhängig sein will, der gegen allzu starre Strukturen opponiert und versucht, sich freizukämpfen. Das hat mir immer gefallen an ihm. Er kann dabei aber überaus penetrant sein. Das ist etwas, das mir persönlich nicht so liegt.
TAG24: Grawe hat nur einen kleinen Auftritt im neuen Film. Er ist der Schwiegervater von Kommissar Lehmann, Großvater von drei Enkeln und offensichtlich gut darin, Spiegeleier zu braten. Er wirkt verbittert, irgendwie vom Leben enttäuscht. Was hat er erlebt, das ihn so hat werden lassen?
Schmidt-Schaller: Das nachdrücklichste Erlebnis war sicher die Wende. Das war ein einschneidender Prozess für viele Menschen in der ostdeutschen Gesellschaft. Da war zuvorderst die soziale Verunsicherung, die für viele Angst und Arbeitslosigkeit bedeutete. Grawe hat das alles miterlebt. Ich finde es wichtig, das in der Figur anklingen zu lassen.
TAG24: Sie sind 1995 beim "Polizeiruf 110" ausgestiegen, angeblich gefielen Ihnen die Bücher nicht mehr, hieß es.
Schmidt-Schaller: So war es.
TAG24: Was hatte sich verändert?
Schmidt-Schaller: Es hat mir missfallen, dass Grawes Figur plötzlich so konturenlos werden sollte. Er war von Anfang an der Einzige im Ermittlerteam, der ein Privatleben hatte. So war auch eine Zuschauererwartung an diese Figur entstanden. Mit einem Mal wurde das Private, das immer wichtig war, um die Figur verstehen zu können, aus den Büchern rausgeschrieben. Da habe ich gesagt, nicht mit mir und bin gegangen. Dramaturgisch wurde es so gelöst, dass Grawe ans Bundeskriminalamt nach Wiesbaden befördert wurde. Auch das passte nicht zum Charakter.
"In diesem ersten Fall geht es um Menschen, die auf der Verliererseite stehen"
TAG24: Der neue Ansatz mit Kurth und Schneider ist sozialkritisch. Dieser erste Film zeigt Leben in trostlosen Verhältnissen. Ist das mehr in Ihrem Sinn?
Schmidt-Schaller: Würde ich so sagen. In diesem ersten Fall geht es um Menschen, die auf der Verliererseite stehen. Eine Erzählung mit ausgeprägtem Realitätsbezug. Das ist der richtige Weg.
TAG24: Ist Schwiegervater Grawe eine fortlaufende Figur? In welcher Weise wird sein Charakter entwickelt?
Schmidt-Schaller: Da müssen Sie Clemens Meyer fragen, der die Drehbücher schreibt. Ich weiß es nicht.
TAG24: Ein paar Jahre nach dem Ausstieg im "Polizeiruf 110" waren Sie wieder Polizist. 15 Jahre lang haben Sie den Kriminalhauptkommissar Hajo Trautzschke in "SOKO Leipzig" gespielt. Inwieweit unterscheiden sich die Charaktere Grawe und Trautzschke, und was ist ihnen gemein?
Schmidt-Schaller: Sie kommen beide aus dem Osten und haben die gleichen Erfahrungen gemacht, arbeiten beide gerne unangepasst. Es sind mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen ihnen. Im Grunde war der Trautzschke ein alt gewordener Grawe.
TAG24: Den es ja nun auch wieder gibt.
Schmidt-Schaller: Ja, wirklich. Mal schauen, wie es mit ihm weitergeht. Ob es überhaupt mit ihm weitergeht. Es wird wohl auch davon abhängen, wie er beim Publikum ankommt.
TAG24: Seit zwei Jahren ermitteln Sie am Rande mit im neuen Format "Erzgebirgskrimi".
Schmidt-Schaller: Da gebe ich den Vater der von Teresa Weißbach gespielten Oberförsterin, der vorher selbst Oberförster war. Kein Polizist diesmal. Und auch keine Hauptrolle.
TAG24: Immerhin. Mit Ihren 75 Jahren sind Sie gut im Geschäft. Das müsste sich gut anfühlen, oder?
Schmidt-Schaller: Ja, natürlich. Aber wir drehen leider erst im Juli und August wieder. Im Moment ist mir tatsächlich ein bisschen langweilig.
TAG24: Wie kommen Sie mit Corona klar?
Schmidt-Schaller: Schlecht. Es geht einem einfach auf den Senkel. Und die vielen unterschiedlichen Einschätzungen zum Thema sind halt auch nicht beruhigend. Man weiß oft nicht, was man glauben kann.
TAG24: Geimpft sind Sie?
Schmidt-Schaller: Geimpft bin ich. Zum Glück.
Titelfoto: imago images/Mary Evans