Deutschlands Pflegenotstand: Ein Kind wäre fast verstorben, weil sie als einzige für 27 Patienten zuständig war
Dresden/Leipzig - "Wir sind früh gekommen, da saß die Nachtschwester, erzählte von ihrer Schicht und fing an zu weinen: Ein kleines Kind wäre ihr in der Nacht fast verstorben, weil sie als einzige Schwester für 27 Patienten zuständig war" - sagt Stefanie.
Stefanie Frindt ist im 3. Jahr ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin und entscheidet sie sich freiwillig dafür, das Krankenhaus zu wechseln. Warum?
Der "Pflegenotstand" ist als Begriff in den Medien besonders seit Corona präsenter denn je.
Heute schon fehlen circa 200.000 Fachkräfte in der Pflege. Eine freie Stelle in der Pflege bleibt im Schnitt 240 Tage lang unbesetzt, so das Team von MDR-"exactly".
Was bedeutet "Pflegenotstand" für die Menschen speziell in Ostdeutschland, und was macht das mit den Pflegekräften in Halle, Leipzig, Dresden und auf dem Land? Wo steht die Pflege heute, warum haben wir überhaupt diesen Notstand?
Der Pflegenotstand trifft besonders den Osten
Im "Pflegereport der Bertelsmann Stiftung" steht klipp und klar: "Bis 2030 soll die Zahl der pflegebedürftigen Menschen um ca. 50 Prozent steigen. Gleichzeitig arbeiten immer weniger Fachkräfte in der Pflege."
Prognosen zufolge würden künftig demnach fast 500.000 Vollzeitkräfte in der Pflege fehlen.
Nachwuchsmangel, fehlende Anreize für Auszubildende, zu wenig Personal, zu wenig Freizeitausgleich, zu wenig Zeit, zu wenig Vergütung – viel Kritik bekommt ein Beruf ab, den die Menschen, die in der Reportage zu Wort kommen, eigentlich mit Liebe und Leidenschaft ausüben.
Für sie ist Pflege mehr: "Wir geben den Menschen ihre Würde zurück", betont zum Beispiel Helena Hamann. Sie ist gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin, 25 Jahre alt und weiß bereits jetzt, dass sie diesen Beruf nicht bis zur Rente durchhalten wird.
Auch Enrico Sinkwitz, der sich im Bündnis für Pflege in Dresden engagiert. Seit 18 Jahren lebt und liebt er seinen Job als Altenpfleger in einem Dresdner Seniorenheim, aber wie lange noch? Er sagt: "Die Altenpflege hat niemanden interessiert, nicht in den letzten 20 Jahren und bis heute nicht. Wir haben aber Leute, die sind 90 Jahre alt, die Dresden und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut haben. Das sind Zeitzeugen, das ist Geschichte, was man mit den Menschen besprechen kann, aber dafür fehlt ganz häufig die Zeit."
Diese drei Betroffenen des Pflegenotstands sollen hier exemplarisch stehen, bringen uns allen das Thema nah - und vielleicht auch endlich "der Politik" in Deutschland.
TV-Tipp: Für die MDR-Reihe "exactly" hat Anke Reichardt nachgefragt – bei Pflegenden und Gepflegten. Zu sehen ist die neue Folge des jungen MDR-Reportageformats in der ARD-Mediathek sowie auf dem YouTube-Kanal "MDR Investigativ", linear im MDR-Fernsehen am Mittwoch, 16. März 2022, um 20.45 Uhr in der Reihe "Exakt – Die Story".
Titelfoto: MDR/Preuss Filmproduktion Berlin