Nina Gummich in "Alice": "Männer werden in Filmen zu Vollidioten gemacht"
Dresden - Anlässlich ihres 80. Geburtstag am 3. Dezember widmet das Erste der Feministin Alice Schwarzer den TV-Zweiteiler "Alice". Die Hauptrolle darin übernimmt Nina Gummich (31, "Charité"). Im TAG24-Gespräch hat die gebürtige Leipzigerin erzählt, wie sie sich mit einer besonderen Schreibmaschine auf die Rolle vorbereitet hat und wie es um die Gleichberechtigung im Film steht.
TAG24: Bevor Sie den Film gedreht haben, welches Bild hatten Sie von Alice Schwarzer?
Nina Gummich: "In meiner Kindheit hatte ich immer das Gefühl, sobald ich den Fernseher angemacht habe, Alice Schwarzer zu sehen. Ich dachte, es ist eine wahnsinnig wichtige Politikerin, die überall steht, laut ist und ganz lustige Dinge sagt. Es könnte sogar sein, dass ich sie als Kind mit der Bundeskanzlerin verwechselt habe."
TAG24: Wie haben Sie sich auf "Alice" vorbereitet?
Nina Gummich: "Als noch gar nicht feststand, dass ich die Hauptrolle spiele, hat Alice Schwarzer, die sich anscheinend schon für mich entschieden hatte, mir einen Stapel Bücher in die Hand gedrückt. Ich las alles, was sie je geschrieben hat.
Eine Woche habe ich dann mit Alice in Paris verbracht, wo sie lange Zeit gelebt hatte. Zudem habe ich mir die gleiche Schreibmaschine gekauft, die sie damals besaß, und Schreibmaschinen-Tippen geübt.
Ich habe Französisch gelernt, mir alte Interviews von ihr angesehen und Listen mit Gesten, Mimik und Lachern gemacht. Und bei jedem Treffen habe ich sie ganz genau beobachtet und immer wieder neue Seiten kennengelernt."
"Alice Schwarzer hat schon wahnsinnig viel bewegt"
TAG24: Dank dieser intensiven Vorbereitung: Hat es ein wenig den Druck genommen, diese berühmte Person zu spielen?
Nina Gummich: "Ja. Es war natürlich immer im Hinterkopf, weil jeder auch ein unterschiedliches Bild von ihr hat. Für die einen ist Alice Schwarzer eine Ikone, andere können nicht verstehen, warum man Filme über sie macht, und manche kennen sie überhaupt nicht.
Ich war trotzdem jeden Tag am Set ziemlich aufgeregt. Als ich den Film zum ersten Mal mit Alice zusammen sah, sagte sie beim zweiten Teil: 'Ich kann dich jetzt nicht mehr loben, ich denke inzwischen, ich springe dort selber herum.' Das ist das schönste Kompliment."
TAG24: Der Film spielt in den 60er- und 70er-Jahren, hat aber erschreckende Parallelen zur heutigen Zeit. Hat sich Ihrer Meinung nach zu wenig beim Thema Frauenrecht getan?
Nina Gummich: "Man hat das Gefühl, es geht zwei Schritte nach vorn und dann wieder drei Schritte zurück - wie ein Pendel. Alice Schwarzer hat schon wahnsinnig viel bewegt. Aber ich glaube, ein großes Problem ist tatsächlich, diese Auseinandersplitterung von uns Frauen.
Es gibt so viele Strömungen und man macht sich gegenseitig schon wieder so fertig, zum Beispiel alte gegen junge Feministinnen. Wir haben so viele Lager und schaffen es nicht, zusammenzukommen. Dadurch gibt es diese Art Pendelbewegung in diesem Prozess. Es ist noch viel Luft nach oben."
"Wahnsinnig tolle Zeit für Frauen"
TAG24: Wie sieht es eigentlich mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Filmbranche aus?
Nina Gummich: "Jetzt ist eine wahnsinnig tolle Zeit für Frauen. Es wird gesucht nach großen Frauengeschichten, großen Frauenrollen. Meine Agentin ist auch eine Vorreiterin darin, was gleiche Gagen angeht. Sie lässt es nicht durchgehen, dass ein Mann mehr als eine Frau verdient. Dafür musste sie auch viele Jahre kämpfen.
Was ich an einigen Projekten merke: Damit die Frau im Mittelpunkt steht, werden die Männer in Filmen immer mehr zu Vollidioten gemacht. Das empfinde ich als so anti-feministisch und total rückschrittlich.
Es muss doch nicht, damit eine Frau stark wirkt, der Mann daneben ein Idiot sein. Es wäre doch toll, wenn man gleichberechtigte Rollen hat. Das sehe ich gerade als Problem, aber ansonsten gibt es bei diesem Thema schon viel Bewegung."
TAG24: Zum Glück sind bei "Alice" die Rollen gleichberechtigt. Welche Reaktion wünschen Sie sich für den Film?
Nina Gummich: "Ich bin offen für jede Emotionalität, die hochkommen kann. Ich würde mich auch freuen, wenn sich Leute aufregen.
Wir haben versucht, eine ambivalente Figur zu schaffen. Es ist nicht nur alles heldenhaft. Ich fände es toll, wenn die Zuschauer in ihr einen Menschen sehen, den man in seiner Ganzheit versteht. Vielleicht bewegt der Film ja auch ein paar junge Frauen - nach dem Motto: 'Trau dich ruhig, deinen Weg zu gehen!'"
Der Zweiteiler "Alice" läuft am heutigen Mittwoch ab 20.15 Uhr im Ersten oder vorab in der ARD-Mediathek.
Titelfoto: rbb/ARD/Alexander Fischerkoesen