Moritz Neumeier im TAG24-Interview: "Beim 50. Mal kommt man sich nur noch verlogen vor"

Hamburg - Der Stand-up-Comedian und Podcaster Moritz Neumeier (35, "Talk ohne Gast") hat im St. Pauli Theater in Hamburg zum vorerst letzten Mal sein Solo-Programm "Kollaps" gezeigt und wurde dabei nicht nur mit Standing Ovations und minutenlangem Applaus, sondern auch der eigenen Erleichterung entlassen. Wieso er an diesem Abend besonders nervös war, verriet er TAG24 wenige Minuten vor seinem Auftritt.

Im Hamburger St. Pauli Theater zeichnete Moritz Neumeier (35) am Mittwochabend sein Programm "Kollaps" auf.
Im Hamburger St. Pauli Theater zeichnete Moritz Neumeier (35) am Mittwochabend sein Programm "Kollaps" auf.  © Daniel Dittus/PR

TAG24: Du zeigst "Kollaps" heute zum letzten Mal. Wieso ist es Zeit für ein neues Programm?

Moritz Neumeier: Das heute ist die 34. Vorstellung und eigentlich kommt das Ende noch zu früh. Ich könnte das noch locker ein halbes Jahr spielen. Aber es ist auch das erste Programm, das ich nicht erst aufhöre, wenn ich absolut keinen Bock mehr habe.

Früher habe ich meine Programme so lange gespielt, dass ich schon über andere Sachen nachgedacht habe, während ich auf der Bühne stand. Das macht einem selber dann keinen Spaß mehr. Weil: Ich kann vielleicht 30 oder 40 Mal so tun, als wäre ich genauso begeistert von der Pointe, obwohl ich sie selbst geschrieben habe. Aber beim 50. Mal kommt man sich dann nur noch verlogen vor.

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TAG24: Bist du denn dann heute überhaupt noch nervös, oder hat sich bereits eine Routine eingestellt?

Moritz Neumeier: Vor Shows bin ich standardmäßig nicht mehr aufgeregt. Deshalb improvisiere ich immer ein bisschen auf der Bühne, dann weiß ich selbst nicht, was passiert. Denn wenn ich gar nicht aufgeregt bin und nur so auf die Bühne stolpere, dann ist das auch nicht so gut.

Anders ist das im Fernsehen, wenn ich weiß, die Menschen sind nicht nur für mich da und ich weiß nicht, ob denen das gefällt. Und heute bin ich nervös, weil heute ist Aufzeichnung. Ich mag das Programm und ich liebe dieses Haus. Also heute muss es gut werden!

TAG24: Hast du denn eine besondere Beziehung zum St. Pauli Theater?

Moritz Neumeier: Ja, ich war hier mit 15 zum ersten Mal. Da habe ich selbst noch gar nicht an die Bühne gedacht und habe mit meiner Cousine die Dreigroschenoper gesehen. Ich saß ganz hinten auf den schlechtesten Plätzen, aber fand es richtig geil. Irgendwann war ich noch mal hier und habe gedacht, hier will ich auch mal spielen. Das habe ich dann auch gemacht und dann dachte ich, hier will ich mal mein Programm aufzeichnen: Und das machen wir heute!

Moritz Neumeier: "Es geht um meinen persönlichen Kollaps"

Vor seinen Auftritten ist Moritz Neumeier normalerweise nicht mehr nervös - doch dieser Abend war etwas Besonderes.
Vor seinen Auftritten ist Moritz Neumeier normalerweise nicht mehr nervös - doch dieser Abend war etwas Besonderes.  © Daniel Dittus/PR

TAG24: Du hast dich in früheren Programmen viel mit der Klimakatastrophe beschäftigt und gesagt, dass du selbst nicht daran glaubst, dass wir als Menschheit überleben. Hast du auch mal Rückmeldungen bekommen, dass Menschen eher deprimiert statt unterhalten aus der Show gegangen sind?

Moritz Neumeier: Ja, da gab es teilweise schon richtige Beschwerden. Jedes Programm ist für mich ja immer das, was mich im Jahr davor so umgetrieben hat. Und in der Zeit habe ich extrem viel über die Klimakatastrophe nachgedacht, war schockiert, traurig und deprimiert, was uns da bevorsteht.

Die Aussage in dem Programm war dann zwar: "Wir sterben alle und wir haben meiner Meinung nach keine Chance mehr, das aufzuhalten." Aber auch: "Warum akzeptieren wir das dann nicht einfach und fragen uns, wie wir bis dahin leben wollen?" Für mich war das eigentlich eine positive Nachricht oder ein positives Gefühl. Ich finde das seitdem viel einfacher, damit umzugehen.

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TAG24: Der Titel "Kollaps" lässt da ja erst mal eine ähnliche Thematik vermuten ...

Moritz Neumeier: Heute Abend wird es lustiger. Denn es geht eher um meinen persönlichen Kollaps. Ich spreche sehr viel darüber, wie es ist, introvertiert zu sein, deprimiert zu sein und dass wir alle nicht zugeben können, dass nicht alles perfekt ist.

Wir sind alle so beschäftigt damit, nach außen zu zeigen, was alles toll ist, dass man innerlich denkt, man wäre die einzige Person, die unzufrieden ist. Mit dem Job, mit der eigenen Beziehung. Wir sollten anfangen, zuzugeben, dass wir alle unzulänglich sind. Denn: Wir sind alle gleich scheiße und deswegen sind wir alle gleich hilfsbedürftig und könnten uns alle gegenseitig helfen ... - und das Ganze dann in witzig!

Die Aufzeichnung von "Kollaps" soll schon bald bei YouTube zu sehen sein. Bis dahin sei so viel gespoilert: Nach dem Auftritt meldete sich Moritz Neumeier in seiner Instagram-Story und erklärte sichtlich erleichtert: "Es hat mir noch nie so viel Spaß gemacht, eine Aufzeichnung aufzunehmen. Ihr habt mir so ein gutes Gefühl gegeben! Ich habe richtig Angst davor, das nächste Programm zu machen - weil, das muss man erst mal toppen!"

Titelfoto: Daniel Dittus/PR

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