Monatelange Hetze endet im Tod: Dr. Kellermayr halfen auch Security und Panikraum nichts
Seewalchen am Attersee (Österreich) - Weil sie offenbar keinen anderen Ausweg sah, beendete Dr. Lisa-Maria Kellermayr (†36) im Juli 2022 ihr Leben. Der Hausärztin, die zum Hassobjekt wurde, weil sie Menschen Corona-Schutzimpfungen verabreichte, wurde nun auch eine TV-Doku gewidmet.
Seit Ende 2021 bekam die Österreicherin "Morddrohungen aus der Covid-Maßnahmengegner- und Impfgegner-Szene", wie sie selbst bei Twitter verkündete.
Dort veröffentlichte sie auch eine Mail unter der Überschrift "Ich werde dich hinrichten", die sie in einem früheren Interview mit dem "ARD-Weltspiegel" selbst vorgelesen hatte.
Mit "Hallo du dummes Stück Scheisse" begann der sich als "Claas" bezeichnende Absender seine widerwärtige Mail. Er sei bewaffnet und wolle ihr mit seiner Schrotflinte "aber nicht die Rübe wegpusten". Vielmehr wolle er die Ärztin als Patient getarnt niederschlagen und sie an einen Stuhl fesseln. Danach dürfe sie zusehen, wie einem der Mitarbeiter die Kehle durchgeschnitten werde.
Auf weitere, noch grausamere Details verzichten wir an dieser Stelle.
Es war bei Weitem nicht die einzige derartige Zuschrift, die die 36-Jährige erhielt. Los ging die Mega-Hetze mit dem Video einer Impfgegner-Demo am 16. November 2021, die Kellermayr verbreitete und in dem Post die Vermutung anstellte, Rettungswege könnten dabei blockiert worden sein. Dem widersprach die Polizei später.
Nach ihrer Veröffentlichung erschien ein teils kritischer Artikel über ihre Vorgehensweise, den die frühere TV-Moderatorin und heutige rechtspopulistische Influencerin Eva Herman (64) via Telegram teilte, woraufhin die Online-Hetze gegen Kellermayr erst so richtig Fahrt aufnahm.
"Tod durch Hass und Hetze - Der Fall Dr. Kellermayr" im Vorschau-Video
Pfefferspray, Panikraum und Übernachten in der Praxis: Dr. Kellermayr sah ihren Ausweg nur im Suizid
Die Ärztin sah sich gezwungen, einen Sicherheitsdienst zu engagieren, der die Praxis in Seewalchen am Attersee mit geladener Waffe bewachte.
In dem Objekt befand sich auch ein wegen der Drohungen eingerichteter Panikraum mit aufbruchsicheren Türen. Auch hatte die Medizinerin immer ein Pfefferspray einstecken. Am Ende übernachtete sie sogar im Büro, weil sie sich auf offener Straße unsicher fühlte.
Am 27. Juni 2022 verkündete sie die Schließung ihrer Praxis, da die Sicherheitskosten den Gewinn "um ein Vielfaches" übersteigen würden.
"Bis heute habe ich mehr als 100.000 Euro in die Sicherheit des Ordinationsbetriebs gesteckt, um garantieren zu können, dass sich niemand, der hier Hilfe sucht, dadurch in Gefahr begeben muss", schrieb sie.
Am 29. Juli 2022 wurde Kellermayrs Leiche in der Praxis gefunden. Sie hat sich offensichtlich aufgrund der anhaltenden Drohungen selbst umgebracht.
Hinsichtlich der Absender der Drohungen gab es zwar Ermittlungen, insbesondere wer sich hinter "Claas" verbirgt. Doch der Verdacht gegen einen 59-Jährigen aus dem bayrischen Landkreis Starnberg und einem weiteren Mann (37) aus Berlin führten nicht zur zweifelsfreien Klärung.
Die Doku, in der weitere bedrohte Personen zu Wort kommen, aber auch mit Impfgegnern auf Demos gesprochen wird, strahlt das Erste am heutigen Montagabend (27. März) ab 22.50 Uhr aus. Vorab seht Ihr sie schon jetzt in der Mediathek.
Solltet Ihr selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, findet Ihr bei der Telefonseelsorge rund um die Uhr Ansprechpartner, natürlich auch anonym. Telefonseelsorge: 08001110111 oder 08001110222 oder 08001110116123 oder unter www.telefonseelsorge.de.
Titelfoto: Bildmontage: Alex HALADA/AFP, Twitter/@drlisamaria