Trotz Gutachtens! Krankenkasse lehnt Hilfsmittel für behinderten Anton (9) ab
Leipzig - Seit vier langen Jahren plagt sich Anke Lubrich mit ihrer Krankenkasse herum. Immer wieder lehnte diese die Kostenübernahme eines therapeutischen Hilfsmittels für ihren behinderten Sohn Anton (9) ab - mit wechselnd neuen Begründungen. Dank einiger TV-Zuschauer schöpft die Thüringer Familie aber Hoffnung.
Als Frühchen mit mickrigen 480 Gramm kam der kleine Anton auf die Welt. Heute kann er seine Beine nicht kontrolliert bewegen und nicht alterstypisch sprechen. Der Rollstuhl war lange Zeit die einzige Möglichkeit, an die frische Luft zu kommen. Dafür musste er aber immer geschoben werden.
Komplett allein fahren kann er hingegen mit einem Therapie-Dreirad. "Wenn er draufsitzt, eröffnet sich eine neue Welt für ihn. Er hat die Möglichkeit, selbstständig die Umgebung zu erkunden, lacht ganz viel", bestätigt Mama Anke in der MDR-Sendung "Voss & Team".
Mit der Empfehlung von Antons behandelnden Ärzten des Uniklinikums Leipzig (UKL) im März 2019 beginnt die Tortur. Sie sind sich sicher, dass sich seine Muskulatur, die motorischen Fähigkeiten und sein allgemeiner Gesundheitszustand durch das Rad verbessern werden. Erste Probefahrten zeigen positive Entwicklungen. Die Mediziner stellen ein Rezept über das etwa 4000 Euro teure Gefährt aus.
Wenig später lehnt die "IKK classic" die Kostenübernahme ab, da Anton mit dem Dreirad nicht selbst treten könne. Seine Mutter legt Widerspruch ein und fügt ein Video von der Testphase hinzu. Das wird ihr zum Verhängnis, da ihr Sohn "optisch und mit seitlicher Kopfhaltung nicht die Fahrtrichtung" fixiere - "auch aufgrund einer fehlenden Sehfähigkeit und eingeschränkter optischer Orientierung".
Allerdings sei auch gar nicht angedacht, dass das Kind unbeaufsichtigt beispielsweise am Straßenverkehr teilnimmt...
Voss & Team (MDR): Gutachter meldete sich zweieinhalb Jahre lang nicht
Die Ärzte wenden sich nach der Ablehnung an die Krankenkasse und stellen die Vermutung auf, dass eine "Verfahrenswillkür seitens der Gutachterin und der IKK classic" vorliegt, "die wir im Rahmen einer sachlichen Prüfung als zumindest sehr bedenklich einschätzen und kritisieren".
Anke Lubrich reicht Klage ein, die das Sozialgericht Altenburg am 27. Juli 2020 annimmt. Die Institution beauftragt daraufhin einen unabhängigen Gutachter, der klären soll, ob Anton das Dreirad benutzen kann.
Der Chefarzt für Kinder- und Jugendmedizin reagiert monatelang nicht, weshalb mehrere Bußgelder gegen ihn verhängt werden. Diese bezahlt er, erstellt aber weiterhin kein Gutachten - zweieinhalb Jahre lang!
"Voss & Team" berichtet in seiner Sendung vom 10. November 2022 erstmals über den Fall, der hohe Wellen schlägt.
Viele Zuschauer wollen die Familie unterstützen - nicht nur mit Geld, sondern auch mit eigenen Therapie-Dreirädern. Diese kommen aber durch ihre Größe oder baulichen Eigenschaften für Anton leider nicht infrage.
Voss & Team: "Ich war voller Optimismus, dass uns das Therapierad zugesprochen wird"
Eine Woche nach TV-Ausstrahlung reicht der Gutachter endlich seine Expertise ein, die bestätigt, dass Anton Anspruch auf das Rad hat. Mama Anke: "Ich war voller Optimismus, dass uns das Therapierad zugesprochen wird."
Allerdings bleibt die IKK dabei: Das Hilfsmittel hat keine positiven Effekte auf die Entwicklung des Jungen. Zudem habe der Gutachter keinen persönlichen Eindruck des Kindes gewinnen können. Anke Lubrich: "Ich habe mit vielem gerechnet, aber damit nicht."
Da die Kostenübernahme bis heute nicht genehmigt wurde, war Familie Lubrich doch auf Spenden angewiesen. Zudem übernahm der Chemnitzer "Lukas Stern e. V." die Mietkosten für das Dreirad, mit dem Anton seitdem wieder ausgiebig unterwegs ist.
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Titelfoto: Bildmontage: Jan Woitas/dpa, Thomas Türpe