Deckel-Diktat aus Brüssel? Das sagen Getränkehersteller zu den neuen "Tethered Caps"
Eilenburg/Saalfeld - Plötzlich bleibt der Deckel an der Flasche. "Tethered Caps" heißen Verschlüsse, die sich neuerdings vor allem an Plastikflaschen finden und bei so manchem für Unmut sorgen. Von einem "Deckel-Diktat aus Brüssel" sei bereits die Rede. Die MDR "Umschau" hat nachgeforscht, was es mit der Neuerung auf sich hat - und dabei auch Getränkehersteller zu Wort kommen lassen.
Grund für die Einführung der sogenannten "Tethered Caps" ist eine neue Regelung der EU, wie Dr. Markus Humpert in dem Beitrag erklärt. "Die EU hat in Europa Strände inspiziert, hat festgestellt, was für Müll dort rumliegt und dabei unter anderem Plastikverschlüsse gefunden. Es gab dann eine Verordnung zu Single-use Plastic. Ziel ist, Müll zu vermeiden und entsprechend den Beitrag zu leisten, damit die Umwelt nicht verdreckt ist."
Humpert ist Geschäftsführer bei Getränkehersteller Sachsenquell in Eilenburg und muss sich nun mit der neuen Richtlinie befassen, die hierzulande ab Juli 2024 gelten soll. Sachsenquell testet deshalb aktuell noch verschiedene Deckel. Für die Kunden seien diese jedoch etwas gewöhnungsbedürftig.
"Die Verbraucher sind erstmal irritiert", so Markus Humpert. "Jetzt hängt ihnen da so eine Kapsel ins Gesicht und das finden sie vielleicht nicht so lustig."
Für Sachsenquell bedeutet die Umstellung indes mehr Aufwand und Materialeinsatz. Vier Tonnen an zusätzlichem Kunststoff brauche es, um die gleiche Menge an Verschlüssen wie zuvor zu produzieren. "Nicht wirklich sinnvoll. Also aus unserer Sicht eine klassische Überregulierung."
Neue Deckel an Plastikflaschen: Nur 32,5 Prozent aller Kunststoffe werden in der EU recyclet
Auch im Brauhaus in Saalfeld steht man der Neuerung kritisch gegenüber. Die Kreislaufwirtschaft mit dem Leergut habe dort bereits in der Vergangenheit optimal funktioniert. Fehlende Deckel: Fehlanzeige. "Also ich sehe das Problem nicht, weder bei unseren PET-Falschen noch bei den Mehrwegflaschen, die jetzt noch nicht betroffen sind", so Jürgen Kachold, Geschäftsführer des Brauhauses.
Tatsächlich belegen Zahlen des Umweltbundesamtes, dass in Deutschland über 91 Prozent aller Einwegkunststoffflaschen mit Deckel zurückgegeben werden. Deutschland ist Klassenbester innerhalb der EU beim Thema Kreislaufwirtschaft.
Bei unseren Nachbarstaaten sehe es derweil anders aus: Nur etwa 32,5 Prozent aller Kunststoffe würden europaweit recycelt. Etwa ein Viertel lande auf Mülldeponien oder sogar in den Meeren. Aktuelle Studien zeigen, dass sich Plastik inzwischen überall im Wasser findet. Das Problem: Der Stoff verschwindet nicht, sondern zersetzt sich lediglich in kleinere Teile, wodurch die Menge stetig zunimmt.
Der Grund für die gute Lage in Deutschland sei das engmaschige Kreislaufsystem mit Flaschenpfand. Viele Länder verfügen über so etwas noch nicht, sagt Professor Eugen Herzau, Experte für Verpackungstechnologie an der HTWK Leipzig. "Und die Frage ist, ob sie jemals dort hinkommen."
Unternehmen arbeiten bereits an Alternativen zum Plastik
Aus Sicht der EU bestehe deshalb Handlungsbedarf, um zumindest die Menge an Plastik zu begrenzen. Gleichzeitg, bemerkte auch Professor Herzau, gebe es gerade beim Kreislauf von Flaschen die Möglichkeit, ganz auf Kunststoff zu verzichten. "Wir haben da ja bereits Alternativen auf dem Markt, allen voran Glasflaschen, ob nun mit Kronkorken- oder Bügelverschluss. Alle haben ihre Berechtigung."
Das Brauhaus in Saalfeld setzt beim Wertstoffkreislauf überwiegend auf Glasflaschen. Auch diese kämen fast immer mit Deckel zurück. Blechdeckel würden dann beispielsweise separat recyclet. Zwar habe die Glasflasche einen höheren Energieaufwand in der Produktion. Gleichzeitig könne sie jedoch über 40 Mal wiederverwendet werden.
Andere Unternehmen, wie beispielsweise Papacks in Arnstadt, arbeiten bereits an stabilen Verpackungen ganz ohne Glas und Kunststoff. Die Entwicklung laufe noch. Künftig könnten Flaschen und andere Packungen dann jedoch auch aus ganz natürlichen Stoffen bestehen und biologisch abbaubar sein.
Titelfoto: Christin Klose/dpa-tmn