Tanz, Rap und Graffiti: So infizierte das "Hip Hop"-Virus die Teenager der DDR
Leipzig - Hip Hop, Rap, Graffiti und Breakdance gehören heutzutage zu den ganz normalen Kunstformen unseres Lebens. Doch das war vor allem in Ostdeutschland nicht immer so. Die MDR-Sendung "Hip Hop und die DDR" deckte am Sonntagabend die Anfänge dieser Kultur in der ehemaligen DDR auf.
In dem Beitrag, der mit Momentaufnahmen und Privatvideos aus den 80ern gefüttert war, kommen zahlreiche Musiker oder Tänzer zu Wort. Eines haben sie alle gemeinsam: ihre Liebe für Hip Hop.
Angefangen hatte alles im Jahr 1983, als im Westfernsehen und Westradio Szenen aus New York abgespielt worden. So konnten DDR-Bürger erstmals erleben, wie Afroamerikaner in Harlem und den Bronx Breakdancing und Rap praktizierten.
Die dort ausgeführten Choreos hatte man noch nie zuvor in der DDR gesehen. "Das war so völlig unglaublich was die da gemacht haben, dass wir erst gedacht haben der Fernseher ist kaputt", erinnert sich Mike Dietrich von den Big City Breakers Leipzig zurück. "Das war dynamisch, sportlich, schnell. Es war einfach saucool."
Von diesem Zeitpunkt an übten Jugendliche in der ganzen DDR heimlich vor Spiegeln oder in selbstgedrehten Videos, um Moves wie die "Rückendreher" aus New York nachzuahmen. Unter ihnen beispielsweise auch Bürger Lars Dietrich (48), der sein gesamtes Erspartes einst für einen West-Kassettenrekorder auf den Kopf haute.
Auch die typische Hip-Hop-Mode erfreute sich zu der Zeit immer größerer Beliebtheit: Aus den langweiligen Jogginganzügen und Turnschuhen, die in DDR-Kaufhäusern zu erwerben waren, bastelten sich die Teenager eigene Markenprodukte. "Drei Streifen draufgeklebt, dann war's 'ne Adidas-Hose", lacht Jörg Müller vom Lash Club Dresden bei dieser Erinnerung.
"Beat Street" startete 1985 für Hip-Hop-Fans eine neue Zeitrechnung
Hip Hop war wie eine Religion für die begeisterten Teenager in der DDR, im Untergrund bildeten sich geheime Schallplattenringe und Tauschbörsen. Doch diese neu aufgekommene Begeisterung war für den Staatsschutz zunächst ein Dorn im Auge.
Graffiti-Künstler oder Breakdancer in der Öffentlichkeit wurden stets argwöhnisch kontrolliert und überwacht. Doch da die Regierung diese neuen Kunstformen nicht einordnen konnte, machte sie sich schließlich zu eigen.
Ab dem Jahr 1984 war Breakdance fester Bestandteil der FDJ-Arbeit, wenig später durften die Tanzgruppen in sämtlichen Kulturhäusern der DDR auftreten - allerdings natürlich erst nach vorheriger Überprüfung und Kategorisierung durch die Stasi.
In einer Sache sind sich sämtliche Hip-Hop-Fans, die in dem Beitrag zu Wort kommen, sicher: Für sie alle gab es keine größere Inspiration als der Breakdance-Streifen "Beat Street" aus dem Jahr 1985. Da dessen Produzent Harry Belafonte (94) ein in der DDR hoch angesehener Friedenskämpfer war, durfte der US-Film auch hier in den Kinos laufen.
Von da an gab es jährliche Breakdance-Wettkämpfe in Leipzig, amateurhafte Rap-Songs mit schlechtem Schul-Englisch und Gruppen aus Jugendlichen, die mit Kassettenrekordern auf den Schultern durch die Städte zogen. Hip Hop hatte sich nach anfänglicher Skepsis und Ablehnung vonseiten der Stasi und älteren Generation ein für allemal in der DDR etabliert.
Diese Subkultur fand durch den Mauerfall allerdings ein jähes Ende. Nach der Wiedervereinigung zerstreute sich die Breakdance-Community in alle Teile Deutschlands, der Hip Hop verlor an Stellenwert. Inzwischen werden wieder regelmäßige Treffen für die alten Hasen des DDR-Breakdance organisiert.
Titelfoto: Screenshot/MDR-Mediathek