Verseuchtes Grundwasser in Halle? "Wir sind an demselben Punkt wie vor 70 Jahren"
Halle (Saale) - Die Angst, langsam aber sicher durch das Grundwasser vergiftet zu werden, spielt wohl in vielen Köpfen der Bewohner einer Siedlung in Halle-Ammendorf mit. Was es damit auf sich hat, findet der MDR in seiner neuesten Folge "Exakt" heraus.
Ein Zaun schützt das etwa 13 Hektar große Gelände des ehemaligen ORGACID-Werks Halle-Ammendorf. Hier produzierten die Nationalsozialisten bis 1945 eine der gefürchtetsten Waffen im Zweiten Weltkrieg: Lost, auch bekannt als Senfgas.
Das gefährliche Gasgemisch reizt nicht nur Augen, Haut und Atemwege, sondern kann potenziell sogar tödlich sein.
Verheerend ist, dass es nach dem Krieg zu unkontrollierten Sprengungen auf dem Areal gekommen ist, deren Folgen bis heute nicht abschließend geklärt sind. Experten zufolge soll das Gelände weiträumig kontaminiert worden sein.
Die oberflächliche Entgiftung und das Aufschütten mit frischer Erde - wohl nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das Problem liege tiefer.
MDR-"Exakt": Systematische Untergrund-Untersuchung fehlt
Eine systematische Untersuchung des Untergrundes wurde laut Rüstungsaltlasten-Experte Prof. Johannes Preuß nie durchgeführt. Preuß: "Die Erfahrung hat gelehrt, dass in solchen ehemaligen Industrieobjekten Probleme bestehen." Er geht somit fest davon aus, dass noch Gift im Boden ist.
Dieses belastet vor allem die Bürgerinnen und Bürger einer nahe gelegenen Wohnsiedlung. "Ich möchte sauber leben, nicht in so einem Dreck", bemängelt eine von ihnen bei einer Bürgerversammlung.
Und sie ist damit nicht die Erste und wird auch sicher nicht die Letzte sein. Ein Mann berichtet dem MDR, wie genervt er davon ist, dass die Sorgen der Gruppe einfach nicht ernst genug genommen werden.
"Werden wir noch erleben, dass hier wirklich etwas passiert, um diese Zustände grundhaft zu beheben?", stellt er seine Frage in den Raum.
Anwohner in Halle-Ammendorf wollen Klarheit, doch die scheint weit entfernt
In der Vergangenheit wurden auf dem Gelände mehrfach Bauarbeiten durchgeführt, die nicht ohne Zwischenfälle abliefen. Männer beklagten sich unabhängig voneinander über Unwohlsein und körperliche Reaktionen.
Auch wenn die Meinungen über die Gefahr des Geländes auseinander gehen, haben Messungen toxische Abbauprodukte von Lost im Grundwasser klar nachgewiesen.
Die Anwohner wollen endlich Gewissheit: "Ich denke, wir sind an demselben Punkt wie vor 70 Jahren", beklagt eine Anwohnerin, die sich ebenso lange mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Sie ist sich sicher: Eher gerät die Problematik in Vergessenheit, als dass sie gelöst wird.
Eines sei klar: Selbst wenn neue Messungen durchgeführt werden, bis es zu abschließenden Ergebnissen kommt, werden wohl noch Jahre vergehen. Die gesamte MDR-"Exakt"-Folge von Mittwoch könnt Ihr Euch in der Mediathek ansehen.
Titelfoto: Bildmontage: dpa/David Zalubowski; dpa/Jens Wolf; dpa/Uli Deck