Selbstbestimmt Leben mit Behinderung? Ämter geizen bei Geld für Assistenten
Leipzig/ Magdeburg - Für ein selbstständiges Leben sind Personen wie Michael Rother rundum die Uhr auf die Unterstützung von Assistenten angewiesen. Doch kann die von den Behörden finanzierte Bezahlung nur selten mit den Tariflöhnen mithalten, wie die MDR-Sendung "Exakt" berichtete.
"Kriegt man nicht mit, wenn ich mich verschlucke, sterbe ich. Kriegt man nicht mit, wenn mein Kopf nach vorn fällt und ich deswegen keine Luft kriege, sterbe ich", erklärte Michael Rother aus Magdeburg gegenüber "Exakt".
Der 38-Jährige leidet an einer spinalen Muskelatrophie, was zu zunehmender Muskelschwäche führt.
Als Software-Entwickler arbeitet er in Vollzeit für das Robert-Koch-Institut. Währenddessen ist er für 24 Stunden am Tag von Assistenten umgeben.
"Ich suche Menschen, auf die ich mich 110 Prozent verlassen kann, weil ich das muss. Davon hängt mein Leben ab", ergänzte Rother.
Als Arbeitgeber seiner Hilfen, macht er von seinem Recht gebrauch, selbst bestimmen zu können, wo und wie er leben kann.
Damit Betroffene solche Angestellten einstellen können, erhalten sie eine Geldsumme, ein sogenanntes persönliches Budget.
Dafür treffen sie mit der zuständigen Behörde eine Zielvereinbarung, die festlegt, welche Ziele damit erreicht und welcher Betrag dafür bezahlt werden soll.
Um genau diese Vereinbarung kämpft Micheal Rother seit Jahren mit den Behörden.
Pflegekräfte-Mangel: Ohne Löhne auf Tarif-Höhe finden sich keine Angestellten
Für fünfeinhalb Vollzeit-Stellen erhalte Rother derzeit rund 21.000 Euro monatlich. Für einen Lohn, der an das Niveau der tariflichen Zahlung herankommt, bedürfe es etwa 7000 Euro mehr.
Seine derzeitige Lösung: "Weniger Leute und Überstunden, die momentan nicht ausbezahlt werden können."
Die Angst, dass sein Versorgungssystem jederzeit zusammenbrechen könnte, begleite ihn jeden Tag.
Eine gesetzliche Rechtfertigung, warum die Ämter eine höhere Zahlung verweigern, gäbe es laut dem Experten Roland Rosenow nicht.
"Die Behörden sind verpflichtet, durch ihre Leistungen, auch beim persönlichen Budget, sicherzustellen, dass die Betroffenen die Leistungen, die sie brauchen wirklich bekommen", so Rosenow. "Und dazu muss man auch angemessene Gelder zahlen, sonst klappt das nicht."
Besonders in Zeiten des Mangels an Pflegekräften bekäme man, ohne einen Lohn in Tarifhöhe, einfach nicht die nötigen Kräfte.
Betroffene erreichen ihr Ziel erst durch Klage
In den wesentlichen Punkten, wie etwa der Zahlung des tariflich vereinbarten Lohns, habe Rother Recht bekommen.
So sei ihm vorläufig ein Anspruch von rund 28.000 Euro pro Monat für die Bezahlung seiner Assistenten zugesprochen worden.
Doch das Landessozialgericht setzte die Vollstreckung des Beschlusses bis zum Abschluss des gesamten Verfahrens aus. Seit einem halben Jahr bewege sich nun nichts, berichtet "Exakt".
"Wir können uns kaum vorstellen, wie rücksichtslos Behörden im Sozial-Leistungsbereich mitunter Rechtsauffassungen vertreten, die ohne Wenn und Aber falsch sind", so Rosenow.
Häufig erlebe er, dass Betroffene erst durch Klagen, die oftmals Jahre dauern, zu ihrem Recht kommen. Eine lange Zeit, in der die Behörden und Ämter Geld sparen.
"Dann kommt dazu, dass viele Betroffene gar nicht die Durchhalte-Kraft haben, sich vor Gericht zu wehren. Viele geben auf", hieß es weiter.
Michael Rother möchte nicht aufgeben. Ein selbstbestimmtes Leben zu führen, bleibt allerdings solange, eine riesige Herausforderung.
Die komplette Folge zu dem Thema gibt es aktuell in der ARD-Mediathek zu sehen.
Titelfoto: Bildmontage: 123RF/grejak, MDR/Hagen Wolf