Azubi (19) verliert Augenlicht und Hand an Silvester: "Siehst kaum noch was, Blut strömt überall"
Leipzig - Für viele gehört es zum Jahreswechsel dazu wie die Gans zum Weihnachtsfest – doch am Silvester-Feuerwerk scheiden sich mittlerweile die Geister. Die Umwelt leidet unter dem Müll, Tiere unter dem Krach, nicht selten gibt es Verletzte oder sogar Tote. Aber es gibt auch Menschen, die das ganze Jahr auf diesen einen Tag hinarbeiten, wie die MDR-Sendung "Exakt - Das Nachrichtenmagazin" zeigt.
Silvester 2022 durfte nach langer Corona-Pause wieder geböllert werden. Für Fans des Spektakels am Himmel kann es gar nicht laut und bunt genug sein.
Zu ihnen gehören auch Jonas und Luke aus Köthen in Sachsen-Anhalt, die Reporter Jonas am 29. Dezember vor einer Lidl-Filiale trifft. Um 7 Uhr morgens ist dort die Schlange schon lang, alle haben nur ein Ziel: so viele Feuerwerkskörper ergattern wie möglich.
Die beiden jungen Männer haben diesen Tag und den folgenden Großeinkauf lang herbeigesehnt. "Das ist wie Weihnachten!", strahlt Jonas, der schließlich vollgepackt durch den Supermarkt läuft.
Und es soll nicht der einzige Laden bleiben: Insgesamt fünf Geschäfte klappern die Freunde an diesem Tag ab, geben satte 945 Euro aus. Wer glaubt, das war's, der irrt. Noch einmal etwa die gleiche Summe kommt durch diverse Online-Bestellungen hinzu.
Darauf haben beide das ganze Jahr gespart. Jonas ist sogar ein richtiger Sammler, hat diverse Feuerwerks-Raritäten in seinem Keller, die schon viele Jahre alt sind.
Als Reporter Jonas die beiden im August bei den Pyro Games in Magdeburg wiedertrifft, wo sie nicht selbst zündeln, sondern das Werk der Profis bestaunen, sind sie sich trotz des Spektakels einig: "Silvester muss man selbst zünden. Die Finger müssen am nächsten Tag verbrannt sein, es riecht einfach so schön", schwärmt Jonas.
Privates Silvester-Feuerwerk mit tragischen Folgen
Doch nicht für alle Hobby-Zündler geht der Jahreswechsel glimpflich aus, wie das letzte Silvester beweist. In Thüringen verlor ein Mann beide Unterarme, im Harz wurden eine Mutter und ihr kleiner Sohn (9) durch eine Rakete schwer verletzt.
Ihren traurigen Höhepunkt fand die Silvesternacht im Landkreis Leipzig: Beim Hantieren mit mutmaßlich nicht zugelassener Pyrotechnik wurde ein 17-Jähriger in Otterwisch so schwer verletzt, dass er wenig später in einer Leipziger Klinik starb.
Wie gefährlich das Abbrennen von Böllern in der Hand ist, zeigt auch der Fall eines 19-Jährigen, den Reporterin Allegra in einem Hallenser Krankenhaus besucht. Der junge Mann hat seine linke Hand verloren, kann auf einem Auge nichts mehr sehen.
"Du siehst kaum noch was, du merkst, das Blut strömt überall. Ich bin nur einer Freundin entgegen getaumelt, hab gesagt 'Krankenwagen' und dann bin ich zusammengesackt", berichtet er von dem Tag, der alles veränderte.
Ein Tag mit verheerenden Folgen: Seine Ausbildung zum Erzieher von Kleinkindern darf er nun nicht mehr fortsetzen, was er immer als seine Bestimmung angesehen habe. Er versucht, positiv zu denken: "Türen schließen sich, neue öffnen sich."
Illegale Böller haben unglaubliche Sprengkraft
Wie groß der Unterschied zwischen legalem und illegalem Feuerwerk ist und wie gefährlich das Abbrennen in der Hand sein kann, zeigt ein Test, den Allegra zusammen mit Sprengstoff-Experte Axel Brehm vom LKA Sachsen macht.
Während bei einem "normalen" Böller der mit Sand gefüllte Handschuh verhältnismäßig unbeschadet bleibt, wird er von einem Blitzknallsatz aus dem Ausland völlig zerstört - man kann sich vorstellen, wie eine echte Hand danach aussehen würde.
Gut möglich, dass es sich im Fall des Teenagers aus Halle um einen nicht erlaubten Böller der Kategorie 3 oder 4 handelte. Diese dürfen in Deutschland nur mit besonderer Erlaubnis genutzt werden, Feuerwerkskörper der Kategorie 1 und 2 sind frei verkäuflich.
Ein weiteres großes Problem ist die Masse an Müll, die jedes Jahr an Silvester entsteht. Allein in Leipzig sind an Neujahr 65 Tonnen Feuerwerksabfälle von Dutzenden Mitarbeitern der Stadtreinigung entsorgt worden. Kosten der Reinigung: rund 16.000 Euro.
Ganz ungefährlich ist deren Arbeit nicht, schließlich können immer auch Blindgänger hochgehen, die man vorher nicht als diese erkannt hat, erzählt ein Angestellter.
Die Alternative zur privaten Knallerei wären öffentliche, von Profis organisierte Feuerwerke - immerhin sprechen sich mittlerweile 61 Prozent der Deutschen für ein bundesweites Böllerverbot an Silvester aus. Bei Pyro-Fans hält sich die Begeisterung allerdings in Grenzen.
Den ganzen "Exakt"-Beitrag "Böllern um jeden Preis" könnt Ihr in der MDR-Mediathek anschauen.
Titelfoto: Bildmontage: MDR/MIA MEDIA