Als Mutti in den Westen ging: Die verlassenen Kinder der Einheit
Von Björn Strauss
MDR/Sachsen/Berlin - Unglaublich: Für ihr eigenes kleines "West"-Glück haben Eltern ihre Kinder im Osten zurückgelassen. Was das bedeutet, zeigt der MDR in einer Dokumentation.
Es ist ein dunkles gesamtdeutsches Kapitel. Hunderte Kinder wurden im Osten zurückgelassen, weil Eltern in den Westen wollten.
Die Erzählungen machen betroffen: In Berlin lässt eine alleinerziehende Mutter ihre drei kleinen Söhne zurück, in dem Wissen, sie niemals wiederzusehen. Dem Achtjährigen schreibt sie noch einen Zettel, wie er die Vier- und Dreijährigen versorgen solle, legt Frühstücksbrote für den nächsten Tag hin und kommt nie wieder... Nur durch Glück können die Kinder auf sich aufmerksam machen, müssen mit teils schweren Befunden ins Krankenhaus.
Thomas Metz wurde 1989 mit fünf Jahren im Kinderheim abgegeben. In Originalaufnahmen von damals sagt er, seine Mutter sei im Urlaub. Heute, 31 Jahre später, weiß er: Seine Mutter war nicht im Urlaub, sondern hatte mit ihrem Freund im Westen ein neues Leben angefangen. Ohne ihn!
Die Bilder von damals - sie erschüttern noch heute. Dabei hatte Thomas Metz noch Glück. Er kam zu liebevollen Pflegeeltern und hilft als Suchttherapeut anderen Menschen mit schweren Schicksalen.
Berührende Doku im MDR
Filmautor Adrian-Basil Müller (er hat sich bereits früherer filmisch mit ostdeutschen Biografien beschäftigt bspw. "ZDFzeit", "ExaktdieStory") spricht mit den betroffenen Kindern von damals. Welches seelische Leid sie erfahren mussten und wie sie damit zurechtkommen.
Die Filmemacher stoßen "über 30 Jahre später auf Wunden und Fragen, die nie geheilt und nie beantwortet wurden", so der MDR zu der bewegenden Doku, die am Dienstag 22.10 Uhr im MDR läuft.
"Als Mutti in den Westen ging" erzählt eindringlich über zahlreiche zu tiefst berührende Fälle über eine "nie öffentlich beleuchtete Kehrseite der Mauerfall-Euphorie".
Im Zuge der vielen Beiträge seit dem Sommer 2020 zu 30 Jahren Mauerfall berichtete der MDR schon einmal über das Schicksal von Kindern, die in den Tagen unmittelbar nach dem 9. November 1989 von ihren Eltern in der DDR im Stich gelassen wurden. Diese Fälle der "MDR Zeitreise" bewegten viele Zuschauerinnen und Zuschauer - lösten Mitleid und Verzweiflung aus. Das war der Grund für den MDR, weiterzuforschen und nun den zweiten Teil der Recherchen zu senden.
TV-Tipp: In einem crossmedialen Doku-Projekt erzählt der MDR Schicksale dieser Kinder. Die berührende Doku läuft am Dienstag, 10. November, um 22.10 Uhr im MDR und bereits vorab ab 9. November (18 Uhr) in der ARD Mediathek.
Titelfoto: MDR