Leipziger Filmemacherin legt sich mit Schweinemogul Tönnies an: "Gab einige brenzlige Situationen"
Leipzig - Sie ist taff und unerschrocken: Jana Bernhardt (45), Inhaberin der Produktionsfirma "Dreh-WG GmbH". Investigativ deckt die Leipziger Journalistin Missstände auf, legt sich dafür auch mit den Großen und Mächtigen an – zuletzt mit Fleischmogul Clemens Tönnies (65). So sorgte sie am Dienstag mit ihren Sat.1-Reportagen "Inside Tönnies" sowie "Akte. – Tönnies und seine Kritiker" für Aufsehen.
TAG24: Frau Bernhardt, was haben Sie mit Ihrer Investigativ-Reportage aufgedeckt?
Jana Bernhardt: Gravierende Missstände in der Firma Tönnies. Wir konnten dokumentieren, dass im Werk unmenschliche Verbote herrschen, zum Beispiel Toilettengänge untersagt sind. Arbeitsverträge werden oft nicht in den Heimatsprachen der Arbeiter*innen ausgehändigt.
Am meisten schockiert haben uns die Wohnbedingungen der Menschen. Sie müssen immer noch in teils verschimmelten, viel zu kleinen Zimmern und Wohnungen leben und dafür auch noch viel zu viel Miete bezahlen.
Sie haben auch eine bulgarische Frau bei Ihrer Arbeitsaufnahme bei Tönnies begleitet.
Die junge Frau ist studierte Journalistin, also eine Kollegin. Ihre persönliche Situation in Bulgarien ähnelt der vieler Tönnies-Arbeiter*innen. Sie hat mit ihrem gelernten Beruf keine Perspektive in ihrem Heimatland – trotz zweier Studienabschlüsse.
Hatten Sie zwischenzeitlich Angst, dass sie auffliegt?
Das ist immer eine Gratwanderung, einerseits Missstände aufzudecken, andererseits sich nicht selbst in Gefahr zu bringen. Es gab einige brenzlige Situationen während der Dreharbeiten. Vor allem die, als sich die Journalistin in ihrer Arbeiter-Unterkunft nicht mehr sicher fühlte, weil sie nicht einmal einen Schlüssel zum Abschließen ihres Zimmers hatte. Den hatte die Vermittlungsagentur in Verwahrung.
Sie hat nachts dann die Unterkunft mit einem Taxi verlassen, weil sie dort nicht bleiben wollte. Dazu habe ich ihr geraten. Sicherheit geht immer vor.
Sat.1-Reportage deckt zur besten Sendezeit auf
Sie haben eineinhalb Jahre an dem Film gearbeitet. Wie geht es Ihnen damit, dass Sat.1 die Reportage jetzt zur Primetime ausgestrahlt hat?
Es ist wichtig, dass diese Sendung viele Menschen sehen. Dafür war der Platz in der Prime Time natürlich hilfreich und hat mich sehr gefreut.
Sat.1 änderte dafür kurzfristig das Programm. Was war der Grund für dieses Vorgehen?
Wir mussten davon ausgehen, dass Tönnies' Anwälte versuchen werden, die Ausstrahlung zu verhindern. Deshalb hat sich der Sender für diese kurzfristige Programmänderung entschieden, um den Film zeitnah senden zu können.
Tönnies behauptet in einer Stellungnahme, dass es eine Unterlassungserklärung seitens des Unternehmens nicht gegeben habe?
Wir haben ein Schreiben der Tönnies-Anwälte mit der Aufforderung zur Unterlassung unserer Recherchen erhalten.
Ermittlungsverfahren gegen TV-Team eingestellt, Verfahren gegen Polizisten eingeleitet
Tönnies wirft Ihnen in derselben Stellungnahme auch vor, "potenziellen Gesprächspartnern Geldzahlungen angeboten" und "die Gesprächspartner zudem zu negativen Aussagen gegenüber Tönnies gedrängt" zu haben. Was sagen Sie dazu?
Beides ist falsch. Wir haben niemandem Geld angeboten, damit sie oder er über das Unternehmen Tönnies spricht. Über die eineinhalb Jahre Recherche ist an mehr als 20 Zeitzeugen eine Summe von insgesamt 1950 Euro für Fahrtkosten, Getränke, Bewirtungen und andere Aufwendungen gezahlt worden.
Sie waren bereits im Vorfeld der Ausstrahlung von Tönnies wegen Hausfriedensbruch angezeigt worden. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt. In den Medien wurde dies jedoch nie richtig gestellt.
Clemens Tönnies hat in seiner Region einen großen Einfluss. Dennoch wurde gegen einen Polizeibeamten ein Verfahren eingeleitet. Ich bin hier sehr hartnäckig geblieben, das hat sich ausgezahlt.
Warum legen Sie sich, eine kleine Filmemacherin aus Leipzig, mit einem so mächtigen Mann an?
Ich halte Clemens Tönnies nicht für mächtig. Macht ist etwas, das ihm die Menschen in seinem Umfeld verleihen. Ich sehe da vor allem unsere Politiker in der Verpflichtung. Von dieser Seite wurden unsere Interviewanfragen leider abgelehnt.
Investigative Berichterstattung ist deshalb die letzte Instanz, Missstände öffentlich zu machen und Politiker zum Handeln zu bewegen.
Überwältigende Resonanz nach TV-Ausstrahlung
Wie viele schlaflose Nächte hatten Sie deshalb?
Ich schlafe sehr gut. Klar macht sich mein Umfeld manchmal Sorgen und rät mir, gut auf mich aufzupassen.
Haben Sie keine Angst?
Nein. Ich glaube an demokratische Grundwerte und an unser deutsches Rechtssystem.
Wie war das Feedback nach der Ausstrahlung?
Überwältigend! Uns haben schon während der Ausstrahlung unzählige Nachrichten erreicht – von Betroffenen, ehemaligen Arbeiter*innen und sogar einem Anwalt. Alles Menschen, die aufgrund der Ausstrahlung den Mut gefasst haben, ihre Geschichte zu veröffentlichen. Das ist gut und macht Hoffnung.
Haben Sie schon Post von Tönnies Anwälten bekommen?
Nein.
Titelfoto: Bildmontage / PR / David Inderlied/dpa