Mord an Christopher W. (†27): "Kripo live" geht den Hintergründen der grausamen Tat auf die Spur

Leipzig/Aue/Chemnitz - Am 17. April 2018 wird der Homosexuelle Christopher W. (†27) in Aue von dreien seiner Freunde zu Tode gequält. Alle drei sind rechtsextrem, mindestens einer von ihnen schwulenfeindlich, doch das Landgericht Chemnitz sieht in seinem Urteil keinen Zusammenhang zwischen ihrer Ideologie und der Tat. "Kripo live" hat den Fall noch einmal aufgerollt, um die Gründe für den grausamen Tod von Christopher W. ans Licht zu bringen.

Von links: Jens H., Stephan H. und Terenc H. während des Prozesses im Landgericht Chemnitz. Alle drei werden schließlich für den Tod von Christopher W. (†27) für schuldig befunden. Was im Urteil jedoch fehlt: ein Motiv für die Tat.
Von links: Jens H., Stephan H. und Terenc H. während des Prozesses im Landgericht Chemnitz. Alle drei werden schließlich für den Tod von Christopher W. (†27) für schuldig befunden. Was im Urteil jedoch fehlt: ein Motiv für die Tat.  © haertelpress / Harry Härtel

"Für uns ist diese Entpolitisierung ganz klar ein Skandal", sagt Anna Schramm vom Chemnitzer Verein RAA. Der Verein begleitet und unterstützt seit Jahren Opfer rechtsextremer Gewalt.

"Man hat hier weder ein homophobes Motiv noch ein rechtsradikales Motiv ausgeschlossen, sondern man konnte es einfach nicht feststellen", hält Marika Lang, Sprecherin des Landgerichtes Chemnitz, dagegen.

Beide kommen in der neuen "Kripo live"-Reportage "Rechtsextremer Gewaltexzess in Aue" zu Wort, in der der Mord an Christopher W. im April 2018 neu aufgerollt wird. Die Sendung zeichnet das Leben von Christopher W. nach, spricht mit Bekannten und Justizbeamten und versucht aufzuklären, warum der damals 27-Jährige sterben musste.

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Auch die Tat selbst wird dabei noch einmal beleuchtet. 20 Minuten lang sollen Terenc H., Jens H. und Stephan H. Christopher gefoltert haben, auf ihn eingeprügelt, ihn in eine Grube geworfen, ihm eine abgebrochene Leuchtstoffröhre ins Gesicht gerammt und seinen Schädel schließlich mit einer alten Tür zertrümmert haben.

Christopher W. starb, weil lebenswichtige Hirnareale zerstört wurden, heißt es später im Obduktionsbericht.

Christopher W. wollte Freunde finden

Zahlreiche Polizisten suchen im April 2018 nach Spuren am alten Güterbahnhof in Aue, jenem Ort, an dem Jens H., Stephan H. und Terenc H. ihren Freund Christopher W. zu Tode folterten.
Zahlreiche Polizisten suchen im April 2018 nach Spuren am alten Güterbahnhof in Aue, jenem Ort, an dem Jens H., Stephan H. und Terenc H. ihren Freund Christopher W. zu Tode folterten.  © Niko Mutschmann

Besonders perfide: Das Opfer und seine Schlächter sollen Freunde gewesen sein. Doch bereits vor der Tat habe das Trio den 27-Jährigen immer wieder malträtiert, ihm sein Geld und seine Schlüssel gestohlen und ihn zum Stehlen gezwungen haben. Drei Wochen vor der Tat soll Terenc H. Christopher die Nase gebrochen haben.

Besonders Angst habe ihm jedoch Stephan H. bereitet, der ihn offenbar immer wieder mit seinem Schwulenhass konfrontierte und bei einer Gelegenheit sogar mit einem Teppichmesser verletzt haben soll.

Das Geld, das sie Christopher W. abnahmen, soll das Trio genutzt haben, um damit die eigene Alkohol- und Drogensucht zu finanzieren. Der 27-Jährige hingegen habe lediglich Anschluss gesucht, wollte Freunde finden. Die Tiraden habe er dabei über sich ergehen lassen, kannte häusliche Gewalt und Alkoholmissbrauch bereits aus seinem Elternhaus.

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Am Abend des 17. April soll es schließlich Terenc H. gewesen sein, der seinen Kumpanen erzählte, er wolle Christopher ermorden. Nach dem Verbrechen habe er Fotos von Christophers Leiche gemacht, die er später über Chatgruppen verbreiten sollte. Gegen 3 Uhr morgens alarmierte Terenc H. dann selbst die Polizei und erklärte, er habe soeben seinen Freund tot aufgefunden.

Versäumnisse im Gerichtsurteil?

Ihr Opfer malträtierte das Trio dabei so sehr, dass Christopher H. zunächst nicht identifiziert werden konnte. Von einer "Zerstörung dieses Menschen" sprach Juristin Dr. Kati Lang bei "Kripo live".
Ihr Opfer malträtierte das Trio dabei so sehr, dass Christopher H. zunächst nicht identifiziert werden konnte. Von einer "Zerstörung dieses Menschen" sprach Juristin Dr. Kati Lang bei "Kripo live".  © Niko Mutschmann

Für Anna Schramm steht fest, dass es sich bei Christophers Tod um eine rechtsmotivierte, schwulenfeindliche Tat handelt.

"Mindestens einem der Täter konnte eine homofeindliche Einstellung nachgewiesen werden, und alle drei Täter waren für uns klar rechtsextrem gesinnt. Wir haben drittens auch in der Art und Weise der Tatbegehung einen Gewaltexzess. Das spricht dafür, dass es sich hier um ein vorurteilsmotiviertes und menschenverachtendes Gewaltverbrechen gehandelt hat."

Juristin Dr. Kati Lang, Expertin für den Umgang von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten mit vorurteilsmotivierter Kriminalität, sieht indes Versäumnisse im Urteil des Chemnitzer Landgerichts. "Die Tat selbst, die besondere Brutalität, [...] die Zerstörung dieses Menschen in Zusammenhang mit dem Vortatverhalten, mit den bekannten homophoben Abwertungen, dem sozialdarwinistischen Verhalten, der rechten Gesinnung, das hätte man zusammenführen müssen."

Schramm fordert, dass vorurteilsmotivierte Kriminalität und Hassverbrechen auch als solche benannt werden. Lang ergänzt, dass ein Gericht in einem solchen Fall auch feststellen müsse, dass Anderssein völlig normal ist und niemals der Beweggrund sein dürfe, jemandem das Leben zu nehmen.

Beim Landeskriminalamt wird Christopher W. noch immer als Opfer rechter Gewalt geführt.

TV-Tipp: Die "Kripo live"-Reportage "Rechtsextremer Gewaltexzess in Aue" ist ab sofort in der ARD-Mediathek verfügbar.

Titelfoto: Niko Mutschmann

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