Anneli, Luisa, Stephanie: "Kripo Live" rollt bekannte Entführungsfälle auf
Leipzig - Anlässlich des TV-Experiments "Feinde" von Ferdinand Schirach im Ersten und allen dritten Programmen beschäftigte sich "Kripo Live" in einer Sondersendung mit dem Thema Kindesentführungen. Gezeigt wurden die Herausforderungen der Ermittler aus Sachsen und Berlin/Brandenburg bei den Entführungsfällen Stephanie, Anneli-Marie und Luisa. Polizei-Psychologe Adolf Gallwitz (70) bewertete die Täterprofile.
Stephanie R. aus Dresden-Striesen
Vor ziemlich genau 15 Jahren begann der erste der drei erschreckenden Fälle: Am 11. Januar 2006 machte sich die damals 13-jährige Stephanie R. aus Dresden-Striesen auf den Weg in die Schule. Dort sollte sie jedoch nie ankommen - nur wenige Meter von ihrer Haustür entfernt wurde sie von einem vorbestraften Sexualstraftäter in einen Lieferwagen gepackt und entführt.
"Zunächst wurde das Verschwinden von Stephanie R. als Vermisstenfall behandelt, denn es deutete nichts auf ein Verbrechen hin. Hier geht man eher davon aus, dass es vielleicht eine Auseinandersetzung mit der Familie gab oder die junge Frau verliebt zu ihrem Partner verschwunden ist", erklärt Polizei-Psychologe Adolf Gallwitz das zunächst zaghafte Vorgehen der Dresdner Polizei.
Was niemand weiß: Während die Ermittlungen draußen nur schleichend ins Rollen geraten, wird Stefanie R. von ihrem Entführer mehrfach vergewaltigt und in eine winzige Kiste gesteckt, wann immer der Täter das Haus verlässt
36 Tage vergehen, ohne dass die Ermittler auch nur den leisesten Hinweis auf den Aufenthaltsort der Verschwundenen haben.
Luisa aus Kleinmachnow bei Berlin
Fünf Jahre später ereignet sich in Kleinmachnow bei Berlin der nächste, weit offensichtlichere Entführungsfall:
Die vierjährige Luisa (Name von der "Kripo Live"-Redaktion geändert) wird in den frühen Morgenstunden des 10. Februar 2011 von ihrer Mutter in den Kindergarten gebracht, als urplötzlich ein Mann in deren Auffahrt auftaucht, das Kind aus den Armen seiner Mutter entreißt und flüchtet.
Zurück lässt er nur einen Zettel, auf dem steht, dass er 60.000 Euro Lösegeld fordert, damit er die kleine Luisa wieder zurück nach Hause kommen lässt.
"Die relativ gering scheinende Lösegeld-Summe ist in diesem Fall kein Anzeichen von Bescheidenheit, sondern vielmehr ein Hinweis, dass der Täter ganz dringend Geld braucht und offensichtlich nicht erfahren ist - was die ganze Sache noch gefährlicher macht", erklärt Experte Adolf Gallwitz im Fall der entführten Luisa.
Wie bekannt ist, fährt der Mann an besagten Tag mit Luisa durch Brandenburg, besucht sogar einen Spielplatz mit dem Mädchen und fordert schließlich das Lösegeld über eine Telefonzelle.
Anneli-Marie aus Robschütz bei Meißen
Der jüngste Entführungsfall stammte aus dem Jahr 2015: Am 13. August wurde die 17-jährige Anneli-Marie Riße nahe ihres Elternhauses in Robschütz bei Meißen auf einem Feldweg gekidnappt, als sie gerade mit dem Familienhund Gassi war (TAG24 berichtete).
Ihre beiden Entführer brachten die Schülerin auf einen Hof in Lampersdorf, wo sie in einer Scheune gefangen gehalten, mit Äther betäubt und mit Kabelbindern gefesselt wurde. Die beiden Täter, ein 39-jähriger Koch und ein 61-jähriger Edelmetallhändler, forderten telefonisch von der Familie ein Lösegeld in Höhe von 1,2 Millionen Euro, welches von den Eltern auch zugesagt wurde.
"Eine solche Entführung ist das grausamste, aber auch das komplizierteste Verbrechen, das man ausführen kann. Es erfordert ein Mindestmaß an Intelligenz - ist der Täter schon im frühen Stadium einer Entführung überfordert, kann dies sehr gefährlich für das Opfer werden", resümiert Polizei-Psychologe Adolf Gallwitz.
Damit hat er leider Recht: Aus Angst vor einer späteren Identifizierung durch Anneli-Marie Riße erdrosselte sie der jüngere der beiden Täter bereits am Folgetag - beiden Männern wird daraufhin der Prozess gemacht.
Experte: Entführer haben ähnliches Profil
Während der Fall Anneli tragisch endet, wird Luisa aus Brandenburg unbeschadet zurück nach Hause gebracht. Auch Stefanie R. kann sich selbst durch einen Hilferuf auf einem Zettel retten, den sie bei einem Ausgang mit ihrem Entführer draußen platzieren kann. Beide Männer werden verurteilt. Und alle Täter aus den drei verschiedenen Fällen haben Gemeinsamkeiten.
"Das Profil der Täter ist typisch: Sie sind meist zwischen 35 und 55 Jahren alt, kommen aus derselben Region wie ihre Opfer und haben Persönlichkeitseigenschaften, die nicht im mittleren normalen Bereich liegen", so Gallwitz.
Die Sendung ist noch bis 10. Januar in der ARD Mediathek verfügbar.
Titelfoto: Bildmontage: Screenshot MDR/ Kripo Live, Polizei Dresden/dpa