"Als wäre eine Bombe eingeschlagen": Wie ein tödliches Autorennen Rechts-Geschichte schrieb

Berlin/Leipzig - Am 1. Februar 2016 wurde der 69-jährige Michael Warshitsky als Unbeteiligter in einem Straßenrennen in Berlin getötet. Die schreckliche Tat und die darauffolgende Verurteilung der Raser wegen Mordes sorgt auch heute noch für Diskussionen. So auch in der neuesten "Kripo live - Tätern auf der Spur"-Folge.

Michael Warshitsky (†69) kam durch ein Straßenrennen in Berlin im Jahr 2016 ums Leben. Sein Jeep wurde von einem der Raser erfasst und weggeschleudert.
Michael Warshitsky (†69) kam durch ein Straßenrennen in Berlin im Jahr 2016 ums Leben. Sein Jeep wurde von einem der Raser erfasst und weggeschleudert.  © Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Um 0.45 Uhr im Februar 2016 rasten Marvin N. in einem Mercedes und Hamdi H. in einem Audi den Berliner Kurfürstendamm entlang, bis es an der Kreuzung zur Nürnberger Straße zur Kollision mit dem Jeep von Michael Warshitsky kam.

"Es sah aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen", erinnert sich Unfallgutachter Michael Weyde in dem Beitrag zurück. Den Jeep hatte es 70 Meter weit geschleudert, die Straße glich einem Trümmerfeld. Sofort war klar: Hier waren keine normalen innerstädtischen Geschwindigkeiten im Spiel gewesen.

Diese Ansicht vertrat auch der Rechtsmediziner Michael Tsokos (56), der die Leiche des Todesopfers nach dem Unfall untersuchte: "Die Verletzungen waren wirklich brachial. Das hab ich bis dato bei einem Verkehrsunfall noch nicht gesehen, zumindest nicht in der Stadt."

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Mit einem zertrümmerten Schädeldach, einer gesprengten Schädelbasis und einer Mittelfraktur des Felsenbeines (dem härtesten Knochen im menschlichen Körper) ähnelte das Verletzungsbild eher dem eines Sturzes aus dem zehnten Stock eines Gebäudes als dem eines Verkehrsunfalls.

Nachdem die Ermittler die Bilder einer Überwachungskamera auf dem Ku'damm gesichtet hatten, blieb für sie kein Zweifel mehr: Die beiden Raser waren bei Rot auf die Kreuzung eingefahren, wo Hamdi H.s Audi den Jeep dann mit rund 160 km/h erfasst hatte. Jetzt war es an der Staatsanwaltschaft, anhand der gesammelten Hinweise die Anklage zu erheben: War es Mord? Oder nur Totschlag?

Schwierige Aufgabe: Staatsanwaltschaft muss Mord beweisen

Hamdi H. wurde wegen Mordes verurteilt ...
Hamdi H. wurde wegen Mordes verurteilt ...  © Gregor Fischer/dpa

Noch nie zuvor in der deutschen Geschichte waren Raser wegen Mordes verurteilt worden. Doch für seine Argumentation gab es für Staatsanwalt Christian Fröhlich einige essenzielle Fragen zu klären: War den Fahrern klar, dass die mit ihrem Rennen Menschenleben gefährden? War das beabsichtigt oder wurde es lediglich billigend in Kauf genommen?

Letzteres war der Fall, wie sowohl Ermittler als auch Psychologen feststellten. Anhand der Verkehrsdaten der betreffenden Kreuzung konnte abgeleitet werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer Kollision in der Unfallnacht bei 1:28 oder 1:36 lag. Damit war durchaus "bedingter Vorsatz", also eine Billigung der Tötung, in der Tat erkennbar.

Nun galt es noch die Mordmerkmale zu beweisen: Heimtücke und sonstige niedrige Beweggründe sowie der Einsatz gemeingefährlicher Mittel.

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Michael Warshitsky war arglos und damit auch wehrlos in die Kreuzung eingefahren, während die Raser so schnell unterwegs gewesen waren, dass eine Bremsung gar nicht mehr möglich gewesen wäre.

"In dem Moment, in dem ich dann das Gaspedal runterdrücke, fälle ich auch für mich die Konsequenz: Es ist mir egal, wer die Kreuzung quert. Ich will gewinnen und das ist mein oberstes Ziel", so die Schlussfolgerung der Behörden. Damit waren sowohl Heimtücke als auch niedrige Beweggründe bewiesen.

Und die hochmotorigen und schweren Autos mit irrsinniger Geschwindigkeit galten als "gemeingefährliche Mittel". Die Mordmerkmale waren also erfüllt, sodass das Landgericht die Anklage tatsächlich zuließ und die Täter wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte. Ein absolutes Novum in der deutschen Rechtsgeschichte.

Mord-Urteil schreibt deutsche Rechts-Geschichte

... Marvin N. wegen versuchten Mordes.
... Marvin N. wegen versuchten Mordes.  © Gregor Fischer/dpa

Zwar legte die Verteidigung der Raser Revision ein, woraufhin das Urteil von Marvin N. zu "versuchtem Mord" und 13 Jahren Haft abgeschwächt wurde. Doch Hamdi H.s Urteil blieb bestehen.

Nach der Tat wurden verbotene Kraftfahrzeugrennen 2017 von einer Ordnungswidrigkeit zur Straftat hochgestuft. Wo inzwischen Haftstrafen drohen, gab es zuvor lediglich Geldbußen.

"Es ist es wert, juristisches Neuland zu betreten und Paragrafen neu zu denken und zu interpretieren", so das Fazit des Staatsanwalts zu dem aufwendigen Prozess. "Ich hoffe, dass ich mit dieser Verurteilung ein Zeichen setzen konnte."

Die komplette "Kripo live: Täter auf der Spur"-Folge namens "Auf den Spuren der Ku'damm-Raser" seht Ihr ab sofort in der ARD-Mediathek oder am heutigen Sonntagabend um 19.50 Uhr im MDR.

Titelfoto: Bildmontage: Gregor Fischer/dpa, Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

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