Gaffer - so furchtbar ist es, den Tod zu filmen!
Ulm - Dieser Film richtet sich an Euch - an die Gaffer und Unfall-Filmer: Schaut hin!
Ein Auto fährt auf Wartende an einer Ampel zu, der Fahrer hatte einen Herzstillstand. Das Rettungsfahrzeug wird behindert. Eine junge Frau stirbt, drumherum stehen sie - die Gaffer. Einige filmen den Unfall... Filmen ohne Gnade! Filmen für "krasse" Klicks.
Der im Film "Und ihr schaut zu" erzählte Unfall beruht auf wahren Begebenheiten. Und dieser Film geht tief. Wühlt auf.
Jenni (hervorragend: Anja Schneider, 45) sieht sich nach dem Unfalltod ihrer Tochter mit Internetvideos von Mias Sterben konfrontiert.
Statt der Studentin zu helfen, schauten die Passanten zu, filmten mit ihren Handys oder behinderten die Durchfahrt der Einsatzkräfte.
Die schreckliche Vorstellung ihrer einsam sterbenden Tochter lässt Jenni nicht mehr los. Die Bilder aus dem Netz überdecken ihren Schmerz und die Trauer, die doch ohnehin so schwer zu bewältigen sind.
Jenni selbst macht sich auf die Suche nach all den Unfallzuschauern, um sie mit den Auswirkungen ihrer Sensationslust zu konfrontieren. Sie wird auch fündig - aber die Begegnungen helfen ihr nicht weiter.
Die Passanten scheinen sich keines Vergehens bewusst zu sein oder sind nicht fähig, es zuzugeben. Jenni bemüht sich daraufhin, die Schaulustigen vor Gericht zu bringen...
Ein wahrer Fall: "Und ihr schaut hin"!
Es ist die "Geschichte" von Judith Machacek (hier geht es zu ihrer Homepage), die ihre Tochter Leonie verlor.
Leonie verunglückte während einer Urlaubsreise schwer, Bilder der sterbenden jungen Frau kursierten schon kurz nach dem Unfall im Netz.
Dass Menschen ihre sterbende Tochter fotografierten und diese Bilder mit anderen teilten, entsetzt sie bis heute.
"Ist euer eigenes Leben so langweilig und uninteressant, dass immer mehr von euch diesen Kick brauchen? Nur nah genug ran, nur schnell genug dabei, am Leid der anderen!" schrieb sie in einem offenen Brief an all die "Gaffer, Filmer, Fotografierer, Hilfsverweigerer".
Eine Mutter kämpft vor Gericht
Und aus ihrem Leid entstand dieser eindringliche Film vom SWR, der ganz ohne Voyeurismus auskommt, obwohl er so nah am Geschehen, am Trauern der Mutter, am Kämpfen ist!
"Und nun, gerade jetzt zu Corona-Zeiten, empfinde ich mich voller Hoffnung und bin dem Leben dankbar wie lange nicht mehr. Vor allem dafür, dass ich fast 21 Jahre Zeit mit meiner Tochter verbringen durfte", schreibt Judith Machacek.
Der Film von Autorin Dominique Lorenz und Regisseurin Michaela Kezele kommt am Mittwoch, 9. November, um 20.15 Uhr im Ersten im Rahmen der ARD-Themenwoche "WIR gesucht - Was hält uns zusammen?".
Die nachfolgende Dokumentation von Kai Diezemann "Filmen ohne Gnade" stellt die Mutter vor, die real erlebte, wie Bilder vom Unfalltod ihrer Tochter im Internet verbreitet und sensationslüstern kommentiert wurden.
Anja Schneider, Hauptdarstellerin des Fernsehfilms, wird am 9. November ab 22.15 Uhr als Special Guest bei "MixTalk" anwesend sein. Die Teilnahme ist hier unter mixtalk-swr.de/live möglich.
Titelfoto: SWR/Hager Moss Film/Bernd Schuller