Dunkle Karriere eines SS-Mannes: "Wurde mit dem Kopf in die Kloake gestoßen und erstickte da"

Leipzig - Ein Fotoalbum enthüllt unter anderem den bisher weitestgehend verborgen gebliebenen Werdegang des SS-Mitglieds Kurt Schreiber. Die ARD-History-Reportage "Karriere im KZ" erzählt seinen Werdegang vom Bauernsohn zu einem NS-Verbrecher.

Kurt Schreiber in seinem Heimatort Flemsdorf bei Leipzig.
Kurt Schreiber in seinem Heimatort Flemsdorf bei Leipzig.  © Copyright/Dr. Stefan Hördler

Kurt Schreiber ist bürgerlich in einem Dorf nahe Leipzig aufgewachsen.

Anstatt in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten und als Bauer zu arbeiten, entscheidet er sich mit 21 Jahren, ein Mitglied der Schutzstaffel (SS) zu werden.

"Es zeigt sich, dass der Eintritt in die SS für ihn ein wichtiger Einschnitt in seinem Lebensweg war", erklärt der Historiker Dr. Stefan Hördler.

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Er analysiert das lange verschollene Fotoalbum, welches Schreibers Werdegang dokumentiert, bis ins kleinste Detail. Stellt dabei das Leben des Bauernsohnes vom Hilfspolizisten (1933) über SS-Scharführer (1934) bis hin zum SS-Oberscharführer (1936) nach.

Seine Karriere begann er im Konzentrationslager (KZ) Lichtenburg in Prettin bei Sachsen-Anhalt. Später auch bekannt als die Schule der Gewalt.

Dort wird Schreiber zuerst unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammen mit anderen SS-Männern in einer Sportschule wahrscheinlich auch militärisch unterrichtet.

Eine Gedenkstätte erinnert noch heute an die Gräueltaten im KZ Lichtenburg bei Prettin.
Eine Gedenkstätte erinnert noch heute an die Gräueltaten im KZ Lichtenburg bei Prettin.  © Jean Schablin / Spiegel TV
Das Bild zeigt SS-Männer inklusive Schreiber auf dem Schloss Schochwitz, kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten.
Das Bild zeigt SS-Männer inklusive Schreiber auf dem Schloss Schochwitz, kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten.  © Copyright/Dr. Stefan Hördler

Aufseher im KZ Lichtenburg: Schlägergruppe macht Inhaftierten Leben zur Hölle

Der Historiker Dr. Stefan Hördler analysiert die Fotos im Album bis ins kleinste Detail.
Der Historiker Dr. Stefan Hördler analysiert die Fotos im Album bis ins kleinste Detail.  © Thomas Krüger / Spiegel TV

Später bewacht er in dem Renaissanceschloss unter anderem politische Gefangene.

In Lichtenburg soll es zwei Gruppen von Wachleuten geben. Eine Schlägergruppe, die Gefangene schikaniert und quält und eine humane Gruppe, die sich auf ihre Aufseher-Tätigkeiten begrenzt, beschreibt der inhaftierte Schauspieler Wolfgang Langhoff in seinem späteren Buch "Die Moorsoldaten".

Kurt Schreiber ist stolz auf seinen Job, besucht sogar in Uniform sein Zuhause.

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Dann spitzt sich die Lage zu. Bei sogenannten "Säuberungen" wurden 1935 homosexuelle Männer verfolgt, eingesperrt und schikaniert.

"Einer von ihnen wurde zur Strafe […] mit dem Kopf in die Kloake gestoßen und erstickte da unten", schreibt Langhoff in seinem Buch.

Über die Jahre erliegen immer wieder Häftlinge ihren schlimmen Verletzungen - zugeführt von Aufsehern.

Ein lang verschollenes Fotoalbum bringt neue Erkenntnisse.
Ein lang verschollenes Fotoalbum bringt neue Erkenntnisse.  © Thomas Krüger / Spiegel TV

"Karriere im KZ – Vom Bauernsohn zum NS-Verbrecher": Erlebt Schreiber einen Sinneswandel?

Nach seiner etwa einjährigen Pause kehrt Kurt Schreiber (M.) zurück und wird im KZ Flossenbürg eingesetzt.
Nach seiner etwa einjährigen Pause kehrt Kurt Schreiber (M.) zurück und wird im KZ Flossenbürg eingesetzt.  © Copyright/Dr. Stefan Hördler

1937 wird das Männerlager zum Frauenlager umfunktioniert und in diesem Zuge Schreiber nach Buchenwald versetzt.

In der Aufbauphase des Konzentrationslagers ist er noch dabei, doch dann tritt Schreiber 1938 plötzlich aus der SS aus. Er begründet die Entscheidung mit einem Todesfall in der Familie.

Ein Sinneswandel? Wohl eher nicht.

Denn bereits ein Jahr später tritt er wieder ein, hangelt sich die Karriereleiter weiter nach oben, bildet nun neue Rekruten im KZ Flossenbürg aus und beaufsichtigt Arbeitsdienste von Gefangenen.

Aus den Bildern geht hervor, dass er sogar zur Leitung des Lagers gehört.

Kurt Schreiber kommt aufgrund seiner Taten später vors Militärgericht. Von 20 Jahren Gefängnis muss er lediglich fünf Jahre absitzen. Er stirbt mit 60 Jahren an einem Autounfall.

Die komplette Reportage "Karriere im KZ – Vom Bauernsohn zum NS-Verbrecher" könnt Ihr Euch in der ARD-Mediathek ansehen.

Titelfoto: Bildmontage: Copyright/Dr. Stefan Hördler; Jean Schablin / Spiegel TV; Thomas Krüger / Spiegel TV

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