TV-Doku enthüllt: So hart ist das Leben wirklich im Knast
Hamburg - Das Innenleben eines Gefängnisses kennen glücklicherweise nur die wenigsten Menschen aus eigener Erfahrung. Einen auf 45 Minuten komprimierten Einblick in diese Welt, in der Freiheit ein mit Sehnsucht behaftetes Fremdwort ist, gibt der NDR in der Doku "Was der Knast aus Dir macht. Santa Fu".
"Natürlich sitzen hier Insassen, die wirklich Qualität haben aufgrund ihrer Straftat, die in der Familie nachts ihre Kinder erschlagen, ihre Frauen vergewaltigen und töten, Auftragskiller - von A bis Z sitzt hier wirklich alles ein", sagt ein Justizvollzugsbeamter in die Kamera, der namentlich nicht genannt wird. Er fügt hinzu: "Auch längere Haftstrafen haben wir hier."
Mit "hier" meint er die Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel, im Volksmund Santa Fu genannt, der legendäre Knast Hamburgs – bundesweit berühmt-berüchtigt. Dort sitzen vor allem verurteilte Schwerverbrecher ihre Strafe im geschlossenen Vollzug ab. Auch Straftäter in Sicherheitsverwahrung sind dort untergebracht. Insgesamt gibt es 386 Haftplätze. Um die Gefangenen kümmern sich 290 Bedienstete.
Annika Blendl (41) und Leonie Stade (34) haben sich in dem Gefängnis für den NDR umgesehen. Sie sprechen mit Insassen, Schließern, Anstaltsleitung, Seelsorger sowie Fußballtrainer. Herausgekommen ist ein einfühlsamer Einblick in eine verschlossene Welt.
Höhepunkt des Jahres ist das Sportfest in Santa Fu
In der Doku sind zwar viele Gesichter unkenntlich gemacht. Die Insassen sehen dennoch aus wie das weitverbreitete Klischee eines Straftäters: Sie sind meist muskulös und mehrfach tätowiert. Das Aussehen soll beeindrucken, die Hierarchie klären.
Die Gefangenen messen sich einmal jährlich beim Sportfest im Sommer. Treckerreifen schleppen, Bankdrücken, Klimmzüge und weitere auf Kraft und Ausdauer ausgelegte Wettbewerbe stehen dann für die Männer an. Sport als Ventil, um Dampf abzulassen.
Doch schnell wird klar, der Ausspruch "harte Schale – weicher Kern" trifft es oft. Ein wegen Betrugs Verurteilter sagt: "Man verpasst hier drinnen alles. Wie Sohn oder Tochter groß werden." "Das geht auf deine Psyche, das geht an niemandem spurlos vorbei", pflichtet ihm ein anderer bei.
Ein weiterer Insasse berichtet davon, dass seine Tochter ihm früher selbstgemalte Bilder bei Besuchen mitgebracht hat. Inzwischen komme sie nicht mehr so oft, "weil sie sich hier nicht wohlfühlt". In diesen Sätzen liegen großer Schmerz.
Der Alltag ist trist. "Das erste und letzte, was man hört, ist ein Schlüssel", sagt ein Insasse.
Das wird zur Resozialisierung der Gefangenen getan
Morgens um 6 Uhr werden die Zellen geöffnet. Um 18.30 Uhr ist Einschluss. Dazwischen arbeiten die Gefangenen sieben Stunden, haben 1,5 Stunden Mittagspause und noch etwas Freizeit, dazu gehört auch eine Freistunde im Hof mit rund 100 anderen Insassen.
Aufgabe der JVA sei es, die Allgemeinheit vor den Straftätern zu schützen und die Strafe zu vollziehen, den Insassen gleichzeitig eine Chance zu geben, erklärt ein Schließer.
Es geht um Resozialisierung. Dazu können die Insassen Beruf wie Maurer, Schlosser und Elektriker lernen. Außerdem gibt es sozialtherapeutische Gruppengespräche – aber nicht für alle gleichzeitig. Das Ziel: Die Tat verstehen, Ursachen bearbeiten und auf die Zukunft vorbereiten, um ein Leben ohne Straftat zu führen.
Wenn es einer schafft, freut das auch die Angestellten. "Das sind Menschen, die im Moment für die Allgemeinheit gefährlich sind, und wenn der dann irgendwo auf den richtigen Weg kommt, können wir auch ein bisschen Stolz sein alle zusammen, dass wir das geschafft haben", sagt Christian Hagen, ehemaliger JVA-Sicherheitschef.
Doku als Begleitung zu neuer ARD-Serie "Asbest"
Auf dem Weg dahin hilft auch die Fußballmannschaft. Bei Eintracht Fuhlsbüttel dürfen nur ausgewählte Insassen mitkicken. Gewalt ist ein No-Go. Das Team spielt in der Kreisklasse mit, jedes Spiel ist ein Heimspiel. Für die anreisenden Gegner ist damit ein gewisser Nervenkitzel verbunden, sie werden kurze Zeit eingeschlossen, für die Insassen ist es ein wichtiger Kontakt zu Außenwelt.
Die Doku ist nach NDR-Angaben als Begleitung zur fiktionalen fünfteiligen ARD-Serie "Asbest" gedacht, die ab 20. Januar nur in der ARD Mediathek zu sehen ist.
Darin begeht das aufstrebende Fußballtalent Momo (Rapper Xidir alias Koder Alian) einen Raub und muss dafür jahrelang ins Gefängnis. Das führt ihn nach Santa Fu, wo die Hölle auf ihn wartet.
Die Doku "Was der Knast aus Dir macht. Santa Fu" ist ab sofort in der ARD Mediathek abrufbar. Im NDR Fernsehen läuft sie am 1. März 2023 um 23.15 Uhr.
Erstmeldung: 18. Januar 2023, 6.15 Uhr. Aktualisiert: 20. Januar, 9.42 Uhr.
Titelfoto: Montage: NDR (2)