Straftäter David lebt bei fünfköpfiger Familie nahe Leipzig: "Hab keinen Bock mehr"
Leipzig/Neukieritzsch - Es ist Strafvollzug der etwas anderen Art! In der Nähe von Leipzig bekommen junge Straftäter die Möglichkeit, sich ohne Knastaufenthalt in ein normales Leben zurückzukämpfen. Welche Rolle eine normale fünfköpfige Familie dabei spielt, zeigt die MDR-Doku "Normsprenger:in – Meine Familie, drei Strafgefangene und ich".
Die Tage von Steffi und Franz Steinert beginnen wie in jeder anderen Familie auch: Früh am Morgen wecken sie ihre drei Kinder, machen sie für die Schule zurecht und frühstücken mit ihnen. Mit am Tisch sitzen allerdings drei junge Männer, die nur vorübergehend zur Familie gehören.
Sie alle haben irgendwann in ihrem Leben mal richtig Mist gebaut und wurden dafür auch verurteilt. Ihre Strafe sitzen sie jedoch nicht im normalen Strafvollzug ab, sondern sie leben während dieser Zeit im Seehaus Leipzig in Neukieritzsch am Hainer See. Ein solches Wohnprojekt gibt es nur zweimal in Deutschland.
Steffi und Franz nehmen seit acht Jahren junge Männer bis 27 Jahre bei sich auf, lassen sie in ihr Leben. Den Alltag mit ihnen bewältigen sie natürlich nicht ganz allein, sondern mithilfe von Pädagogen und Ausbildern oder auch jungen Menschen wie Amelie, die ihr freiwilliges soziales Jahr im Seehaus macht.
Die besten Mitarbeiter sind laut Steffi jedoch die eigenen Kinder, denn die treten den jungen Männern ohne Vorurteile gegenüber und nehmen sie, wie sie sind. Für sie sei das Zusammenwohnen mit ihnen einfach normal – Groß und Klein unterstützen sich gegenseitig.
Sie bekommen dadurch Sicherheit und Geborgenheit – Dinge, die sie vermutlich nur selten aus ihrem früheren Leben kennen, so Franz. Steffis Wunsch für die gemeinsame Zeit: "Ich wünsch mir von den Jungs, dass sie sich öffnen können im Laufe der Zeit."
Junge Männer mit krimineller Vergangenheit blicken in die Zukunft
Im Seehaus beginnen die jungen Männer eine Ausbildung, zum Beispiel in der Holzwerkstatt, die sie nach ihrer Entlassung beenden können.
Zu den fast Entlassenen gehört David, seine zehnmonatige Strafe ist beinahe vorbei. "Ich hab ja vorher in Dresden gelebt, hab Drogen genommen und hab keinen Bock mehr drauf", sagt er und erzählt von seinen Plänen, nach Kassel zu ziehen.
Sowohl Steffi als auch Franz überkommt in solchen Momenten die Wehmut, weil die jungen Männer oft eine Lücke hinterlassen, doch sie sind auch unglaublich stolz auf sie und glauben auch in Davids Fall daran, dass er es schaffen kann.
Er habe laut Steffi schon vieles erlebt in seinem jungen Leben, deshalb wünsche sie ihm, "dass er da, wo er jetzt hingeht, einfach ankommen darf, dass er dort Menschen findet, die ihm tatsächlich den Halt geben, den er braucht".
Für sie und ihren Mann bedeutet dieses Leben zwar immer auch eine Art Gratwanderung – sie sind einerseits Respektspersonen, andererseits Freunde für die Jungs –, doch Franz ist überzeugt: "Es ist ein total volles Leben, aber auch ein sehr erfülltes Leben."
Welche Herausforderungen diese besondere Form des Zusammenlebens so mit sich bringen können und ob sich auch manchmal Zweifel einschleichen, seht Ihr am heutigen Samstag ab 18 Uhr im MDR oder schon vorab in der Mediathek.
Titelfoto: Screenshot MDR-Mediathek