Nazijäger: "Das Menschen-Material ist nicht gut"
Hamburg/NDR - "Das Menschen-Material ist nicht gut - mir fehlen für die Arbeit noch Kinder und Tiere." Mit Material sind auch Kinder gemeint, mit Arbeit "Forschung" an ihnen - kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges. "Wir werden Mengele kontaktieren..." So beginnt der dokumentarische Film "Nazijäger - Reise in die Finsternis", der bald im Ersten läuft.
Norddeutschland in der Nachkriegszeit: Auf der Suche nach der Wahrheit nehmen britische Soldaten deutsche Kriegsverbrecher ins Visier.
Die Offiziere, meist aus jüdischen Familien, die vor den Nazis geflohen waren, fahnden nach SS-Leuten, KZ-Schergen und "Tätern in Nadelstreifen".
Die Soldaten, die Monate zuvor die Befreiung des KZ Bergen-Belsen erlebten, gehen dabei nicht zimperlich vor – als sie den KZ-Kommandanten von Auschwitz enttarnen, überlebt dieser nur knapp seine Verhaftung.
Unter den Nazijägern ist auch Anton Walter Freud, der Enkel des weltberühmten Psychoanalytikers Sigmund Freud (gespielt von Franz Hartwig, 36). Freud spürt den Hamburger Lieferanten von Zyklon B auf und stößt bei seinen Vernehmungen auf den Mord an zwanzig Kindern in den letzten Kriegstagen, genau am 20. April im Jahr 1945.
"Nazijäger": Bewegender Doku-Film über die Nazis zu und nach Ende des 2. Welkkrieges
Der Regisseur und Autor Raymond Ley (63) und die Autorin Hannah Ley (52) haben nach einer Vorlage von Dirk Eisfeld (58) mit "Nazijäger – Reise in die Finsternis" ein spannendes, ergreifendes, intensives Dokudrama geschaffen.
Wir sehen grausame Szenen! Das Drama erzählt die Geschichte der britischen Soldaten, die bei ihren Verhören in den Abgrund der menschlichen Seele schauen. Wir sind dabei, wenn sie Hess verhören - und dabei auch teils Folter einsetzen.
Muss das sein, dass wir als Zuschauer so nah miterleben, was im KZ an Gräuel geschah? Ja!
Sinnen die Jäger auf bloße Rache, auf blutige Abrechnung?
Nein, sie versuchen es, die Kriegsverbrecher – bei aller logischen Verachtung – mit demokratisch legitimierten Mitteln zu schlagen. Sie bemühen sich um Prozesse - und sie befördern die Verbrecher reihenweise an den Galgen.
Ein Film, der keinen kaltlässt: Er gibt Opfern ein Gesicht!
Eine ganz wichtige Rolle in Leys Inszenierung spielen die noch lebenden Augenzeuginnen Andra und Tatiana Bucci. Sie sind Cousinen des kleinen Sergio, mit dem sie 1944 aus Italien nach Auschwitz deportiert wurden.
Beide, Andra und Tatiana Bucci, haben Auschwitz überlebt - über 1,5 Millionen Menschen nicht. Ihr Cousin Sergio wurde in Hamburg in den letzten Kriegstagen ermordet.
Für diesen Film begaben sich die Bucci-Schwestern zusammen mit Raymond Ley auf eine Reise in ihre Kindheit nach Auschwitz und Hamburg; reden über diese grausame Zeit. Nah, intensiv und unvergesslich.
Raymond Ley über den Film: "Das Verbrechen des Holocausts entzieht sich für mich der Betrachtung, einer ‚realistischen‘ Darstellung im TV. Wir können lediglich versuchen, den Opfern - hier den 20 Kindern - ein Gesicht zu geben, einen Blick auf sie zu werfen, um auch sie vor dem Vergessen zu bewahren."
TV-Tipp: "Nazijäger" läuft am Sonntag, 16. Januar 2022 um 21.45 Uhr im Ersten und online first in der ARD Mediathek ab 13. Januar.
Titelfoto: NDR