Drogenfalle Kinderheim? Nele (13) musste weg aus ihrem Zuhause und begann zu trinken

Sachsen/Thüringen - Wenn Kinder vom Jugendamt aus ihren Familien geholt werden, geschieht dies in der Regel zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung. Doch offenbar geht es vielen Heranwachsenden in den Einrichtungen der Jugendhilfe, in die sie verfrachtet werden, schlechter als zuvor, wie die MDR-Doku "Exakt" nun zeigt.

Viele Kinder und Jugendliche, die sich in einer seelischen Ausnahmesituation befinden, suchen Trost im Alkohol. (Symbolbild)
Viele Kinder und Jugendliche, die sich in einer seelischen Ausnahmesituation befinden, suchen Trost im Alkohol. (Symbolbild)  © Tobias Hase/dpa

Nele aus Thüringen ist 13 Jahre alt und lebt seit zwei Jahren in einem Kinderheim in Neustadt an der Orla – gegen ihren Willen, den ihrer Mutter und ihres Bruders Patrick. Mit ihm muss sie sich heimlich treffen und diese Begegnungen enden häufig mit Tränen.

Warum genau Nele ihre Familie verlassen musste, erfährt man als Zuschauer der Sendung nicht – es heißt, das Jugendamt habe befürchtet, dass es aufgrund einer sehr engen, aber problematischen Beziehung zwischen Mutter und Tochter irgendwann zu einer Kindeswohlgefährdung kommen könnte. Auf Anfrage habe die Behörde erklärt, dass eine Inobhutnahme immer das letzte Mittel sei.

Es geht um den Schutz von Kindern, doch hat man hier möglicherweise das Gegenteil erreicht?

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Das Mädchen vermisst seine Familie schrecklich und kann das Getrenntsein nur schwer verarbeiten. Wie viele andere Kinder im Heim trinkt sie immer öfter Alkohol, um so ihren Kummer zu bewältigen.

Bruder Patrick macht sich deswegen große Sorgen um seine Schwester: "Die Kleine steckt ja in einer Situation, unter der sie sehr leidet."

Dass Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der Jugendhilfe immer häufiger zu Alkohol oder sogar härteren Drogen greifen, ist keine Seltenheit. Laut Ärzten können seelische Notlagen während der schwierigen Pubertät zu Ersatzhandlungen wie Essstörungen, Selbstverletzungen und Drogenmissbrauch führen.

Kinder und Jugendliche kamen in Heimen oft schnell mit Drogen in Berührung

Das berichten auch einige Jugendliche aus der Jugendhilfe "Par-ce-val" im sächsischen Döbeln. Bevor sie in die Einrichtung kamen, die auf Jugendliche mit Drogenproblemen spezialisiert ist, seien sie in anderen Einrichtungen sehr leicht und schnell mit Drogen aller Art in Berührung gekommen.

"Wir reden von Risiken und Nebenwirkungen der Jugendhilfe. So wertvoll sie ist, so wichtig sie ist, so gefährlich kann es auch sein", so "Par-ce-val"-Chef Haci Bayram.

In Neles Heim beispielsweise herrscht laut seinem Träger, der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Thüringen, ein striktes Alkoholverbot. Die Jugendlichen verbringen demnach ihre Freizeit auch außerhalb der Einrichtungen. "Dabei kommt es vor, dass Alkohol getrunken wird. Diese Erfahrungen machen auch andere Jugendliche, die im Elternhaus aufwachsen", wird die AWO zitiert.

Sieht so Schutz vor Alkoholmissbrauch bei Kindern aus?

Auch Neles Mutter und Patrick haben ihre Zweifel, ob das wirklich so ist, denn in dem christlich orientierten Elternhaus, in dem Nele aufwuchs, habe Alkohol nie eine Rolle gespielt.

Doch trotz Neles Versprechen, nicht mehr zu trinken, wurde sie von ihrer Familie an einem Bahnhof genau dabei erwischt. "Wenn man sie heute so sieht, ist klar, dass sie bald abrutscht", sagt Neles verzweifelte Mutter.

Welche Erfahrungen andere Kinder und Jugendliche, die in Heimen leben, gemacht haben, seht Ihr im kompletten Beitrag in der MDR-Mediathek.

Titelfoto: Tobias Hase/dpa

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