"Der war wie ein Gott": Trieb Schalck-Golodkowski die DDR im Leipziger Hotel "Astoria" in den Ruin?
Leipzig/Berlin - Alexander Schalck-Golodkowski (†82) war eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der DDR – war er doch entscheidend daran beteiligt, dass der hoch verschuldete Staat sich aus seiner finanziellen Misere befreien konnte. Wie ihm das gelang und was das berühmte Leipziger Hotel "Astoria" damit zu tun hatte, erzählt die MDR-Dokumentation "Schalck-Golodkowski und die Pleite der DDR".
Zu Beginn der 1980er Jahre lag die Wirtschaft der DDR am Boden. Rund zehn Jahre nach dem Machtwechsel von Walter Ulbricht (†80) zu Erich Honecker (†81) war die Erwirtschaftung von Devisen – also Fremdwährung aus dem kapitalistischen Westen – durch den Export das A und O für das wirtschaftliche Überleben der DDR.
Dass man beim Handel mit dem Westen aber wesentlich mehr Geld ausgab als einnahm, trieb den sozialistischen Staat beinahe in den Ruin. Ende 1981 war ein Rekordminus von mehr als 30 Milliarden Westmark entstanden.
Der Mann, der sich um die Behebung dieses Problems kümmern sollte, sagte 1999 in seinem letzten Interview: "Die DDR lebte im Grunde genommen über ihre Verhältnisse und wir waren stolz darauf, den besten Lebensstandard in allen sozialistischen Ländern zu haben. Was auch zutraf, aber um einen teuren Preis."
Alexander Schalck-Golodkowski, damals Anfang 50, war Staatssekretär im Ministerium für Außenhandel und Leiter des Bereichs Kommerzielle Koordinierung, kurz KoKo. Er war zuständig für die geheimen Operationen – wer Geschäfte mit der DDR machen wollte, kam an ihm nicht vorbei.
Um an Geld zu kommen, arbeitete KoKo wie ein kapitalistischer Konzern mit Schalck-Golodkowski an der Spitze. Es wurde mit allem gehandelt, was Devisen brachte. Sehr zum Unmut der Bevölkerung der DDR, denn viele Konsumgüter bekam man dadurch kaum noch.
Zeitzeugen: "Für 'nen Appel und ein Ei hat sich die DDR verkauft"
Die Zeitzeugen Ulrich Trampler und Reinhard Zeh, Restaurantleiter sowie Barmitarbeiter im Hotel "Astoria" berichten, wie beispielsweise Pflastersteine durch Beton ersetzt und dann in den Westen verkauft wurden. "Da haben die dann drüben die Altstädte neu gemacht und wir haben hier Beton bekommen", so Zeh.
"Es wurde ja auch alles, was nicht niet- und nagelfest war, in den Westen geliefert. Vom Oberhemd angefangen bis zu Lebensmitteln [...] Also wirklich, es wurde verschleudert, nur um ein bisschen Valuta zu bekommen. Für 'nen Appel und ein Ei hat sich die DDR verkauft", bestätigt auch Trampler.
Der Abteilung KoKo wurden oft dubiose Machenschaften vorgeworfen, Schalck-Golodkowski stritt mafiöse Strukturen jedoch stets ab.
Das Geschäft seines Lebens fädelte er 1982 auf der Herbstmesse in Leipzig ein. Wie immer stieg er im "Astoria" ab. Dort war er unter den Angestellten bereits bekannt.
"Der war wie so ein Gott. Der wusste genau, was er darstellt und was er wollte und was er kann", so Ulrich Trampler, der seinerzeit auch den VIP-Bereich und somit auch Schalck-Golodkowski betreute.
Im "Astoria" wurden die ganzen wichtigen Deals besprochen und abgewickelt, es galt während der Messen im Frühjahr und Herbst als "offizieller Sitz des DDR-Außenhandels".
Die Bundesrepublik zahlte eine Milliarde Euro an die DDR
Einer seiner Gäste war damals ein bekannter Fleischfabrikant aus Bayern, Josef März (†62), der ihm einen dreistelligen Millionenbetrag und damit einhergehend den Kontakt zum damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (†73) in Aussicht stellte.
Aussagen wie "Der Anfang vom Niedergang des Kommunismus hat begonnen. Eines Tages wird für ganz Europa, für ganz Deutschland die Stunde der Freiheit schlagen" sorgten nicht unbedingt für Strauß' Beliebtheit unter den SED-Funktionären, doch Schalck-Golodkowski genoss das Vertrauen Honeckers und das Geld wurde dringend gebraucht.
Nachdem ein Bundesbürger bei einer Kontrolle durch Zollbeamte auf sozialistischem Boden sein Leben verloren hatte, drohte das Milliardengeschäft plötzlich zu scheitern. Doch obwohl Strauß diesen "Mordfall" verurteilte, wusste er auch, wie dringend die DDR das Geld benötigte und dass es zu diesem Zeitpunkt ohnehin unmöglich war, den Staat aus dem Ostblock herauszulösen.
Im Juli 1983 wurde der Deal schließlich vollzogen, dank Schalck-Golodkowski bekam die DDR eine Milliarde D-Mark von der Bundesrepublik.
"Ich habe weder besondere Zauberkräfte noch hatte ich besondere Angebote im Gepäck, es war einfach vielleicht mein Glück, dass ich diese Chance hatte [...] Ich war bemüht, sie nach bestem Wissen und Gewissen für die DDR zu nutzen. Ich war immer überzeugt, dass ich etwas Gutes für die DDR tue, bis heute", zeigte er sich 1999 bescheiden.
Was mit dem Geld geschehen ist, welche Vorteile Schalck-Golodkowski davon hatte und inwiefern der Super-Deal Einfluss auf das Ende der DDR hatte, seht Ihr in der Doku in der MDR-Mediathek.
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