Drama während Reportage über Obdachlose: Christian (†62) wird tot unter Brücke entdeckt
Halle (Saale) - "In Deutschland muss niemand auf der Straße leben", heißt es immer vonseiten der Politik. Und doch gibt es Tausende Menschen, die obdachlos sind. Das MDR-Magazin "exactly" hat einige von ihnen in Halle über Monate hinweg begleitet.
![Christian (†62) wollte mit dem MDR-Reporter noch weiter über sein Schicksal sprechen, doch dazu kam es nicht mehr.](https://media.tag24.de/951x634/5/c/5crm836dbu1zv0bzvvbrpt59jpte7otx.jpg)
Reporter Daniel Tautz war ein Jahr lang auf Halles Straßen unterwegs, um mit den Menschen am Rande der Gesellschaft zu sprechen. Doch gleich eine seiner ersten Begegnungen wird in trauriger Erinnerung bleiben.
Er trifft zwei Männer, Christian und Thomas, die ihm im tiefsten Winter ihren Schlafplatz zeigen, ein heruntergekommenes Abrisshaus.
Der 62-jährige Christian erzählt ihm, dass er mittlerweile schon ein paar Jahre auf der Straße lebt, dieses Dasein aber satthat. Um endlich wieder eine eigene Wohnung zu bekommen, habe er sich Hilfe gesucht.
Zu ihrer nächsten Verabredung tauchen beide Männer auf einmal nicht mehr auf. Ehrenamtler Michel vom "Bus Vierjahreszeiten e.V." ist es, der dem Reporter die traurige Mitteilung überbringt: Christian wurde tot aufgefunden, seine Leiche lag im Schlamm unter einer Brücke.
Ein gefährlicher Ort, wie Michel erzählt - bei anhaltendem Regen könne es dort schnell zu Hochwasser kommen. Möglicherweise ist Christian das zum Verhängnis geworden.
![Reporter Daniel Tautz hat in Halle ein Jahr lang Obdachlose und Bedürftige mit der Kamera begleitet.](https://media.tag24.de/951x634/s/t/st0cdbedbip8kpzxs26nhbgop2jixqox.jpg)
Verein "Bus Vierjahreszeiten" trauert um Obdachlosen Christian
Ehrenamtlicher Michel wuchs selbst unter schlimmen Bedingungen auf
![Der knallrote Bus des Vereins "Bus Vierjahreszeiten" fährt durch Halle, die Ehrenamtlichen helfen Bedürftigen mit Kleidung und Essen, hören ihnen und ihren Sorgen zu.](https://media.tag24.de/951x634/c/2/c2bhawygs35jmdqlb4y2wlek6qoey1kc.jpg)
Für ihn ist die verbreitete Annahme, dass niemand in Deutschland auf der Straße leben muss, völlig unverständlich. Jeder Mensch wünsche sich einen Zufluchtsort und Geborgenheit und trotzdem sterben Menschen wie Christian an einem solchen Ort, unter solchen Umständen und sehr einsam.
Gemeinsam mit anderen Ehrenamtlern erinnert er an den Verstorbenen. Die Sorge um Christians Kumpel Thomas ist gleichzeitig groß, denn er wurde seit Tagen nicht mehr gesehen. Auch an seinem Schlafplatz ist er nicht, hat offenbar alle seine wichtigen Unterlagen dort gelassen.
Erst Wochen später dann endlich die erlösende Nachricht: Daniel Tautz trifft Thomas wieder, es geht ihm gut.
Michel und seine Mitstreiter kümmern sich das ganze Jahr um Bedürftige, sei es mit warmen Mahlzeiten, Kleidung oder einem offenen Ohr. Er ist selbst unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen, seine Mutter wollte ihn nicht, seine Oma hat ihn misshandelt.
Dieses Schicksal führte den Ehrenamtler mit David Strübing zusammen. Dessen Mutter hat Michel einst in ihrer Großfamilie aufgenommen. "Da habe ich das erste Mal mitbekommen, wie schön eine Familie sein kann", erzählt er. Heute kümmern sich die beiden Männer gemeinsam mit anderen Freiwilligen um Bedürftige.
David und Michel kümmern sich heute gemeinsam um Obdachlose
Was sie mit dem "Bus Vierjahreszeiten e.V." leisten und welches Schicksal manche der Obdachlosen ereilte, seht Ihr in der "exactly"-Doku "Leben und Sterben auf der Straße" in der ARD-Mediathek.
Titelfoto: Bildmontage: MDR/Daniel Tautz, Facebook/Der Bus Vierjahreszeiten / Kältebus und Spendenbus in Halle an der Saale