Drogen, Tote, Hoffnung: Das Leben in Rios Elendsviertel "Rocinha"
Rio de Janeiro (Brasilien) - Armut, Drogen, Gewalt und tödliche Polizeieinsätze sind hier Alltag. Wie gefährlich das Leben in einem brasilianischen Elendsviertel wirklich ist, zeigt die hautnahe ARD-Doku "Tür an Tür mit dem Gangster - Leben in Rios größter Favela".
"In Brasiliens Favelas habe ich schon oft gedreht. Diesmal ziehe ich hier ein", sagt ARD-Korrespondent Matthias Ebert (41), der seit vier Jahren in Rio lebt und sich hier nach "Rocinha", das größte Armenviertel der Metropole, begeben wird.
Mit dem Einverständnis der Drogengangs, die in Rocinha das Sagen haben, macht sich Ebert samt zwei Begleitern auf den Weg in Rios Unterwelt.
"Es riecht überall anders. Da drüben nach Frittenfett, hier nach Grillfleisch und da hinten nach ungeklärten Abwässern. Bei der Hitze echt krass", berichtet er.
Jeder Fünfte in Rio lebt in einer der Favelas. Allein in Rocinha leben schätzungsweise 200.000. Und es werden immer mehr. "Viele wollen sich hier nahe der Reichenviertel ansiedeln", weiß Adauto Aparecido Santana, der gefragteste Transport-Unternehmer hier, der mit 700 Euro im Monat dreimal so viel verdient wie der brasilianische Mindestlohn hoch ist.
Angst um sich und seine Familie hat Adauto vor der Kriminalität und den Gangs keine. "Solange ich meine Arbeit geradlinig mache, komme ich denen nicht in die Quere."
Rios Favelas: Immer wieder gewaltsame Drogen-Razzien mit vielen Toten
In die Quere kommen sich die Gangs und die Polizei bei Drogen-Razzien aber immer wieder. Im Juli 2022 starben in der Favela "Complexo do Alemão" 19 Menschen. Insgesamt 1327 kamen laut ARD-Recherchen durch Polizeigewalt im vergangenen Jahr allein im Bundesstaat Rio de Janeiro ums Leben.
Bewohnerin Adriana Santos Moura sagt dennoch, sie fühle sich sicher, habe keine Angst vor Überfällen oder Vergewaltigungen. Viel gefährlicher sei es außerhalb Rocinhas in Rios Stadtzentrum: "Wenn ich nachts am Copacabana-Strand bin, fühle ich mich nicht sicher."
99,9 Prozent der Einwohner, die in Rocinha leben, seien "wirklich gute Menschen", sagt Marcelo Queiroz. "Die arbeiten hart und hoffen auf eine bessere Zukunft."
Matthias Ebert spricht aber auch mit Carlos, einem Soldaten der Drogengang, der über seinen gewaltsamen und harten Alltag spricht, schon einige Kollegen sterben sah.
Ein Blick auf die Lebenserwartung zeigt zudem, welch tiefer Riss durch Rios Bevölkerung geht. Rocinhas werden im Schnitt 52 Jahre alt, im noblen Nachbarviertel "São Conrado" 75 Jahre.
TV-Tipp: "Weltspiegel" strahlt das Erste am heutigen Sonntag ab 18.30 Uhr mit weiteren Korrespondenten-Berichten aus dem Ausland aus. Die 45-minütige Doku aus Rio gibt's auf Abruf in der Mediathek.
Titelfoto: Bildmontage: Silvia Izquierdo/AP/dpa (2), MAURO PIMENTEL/AFP