So wirkt sich Corona auf das "ARD-Buffet" und "Kaffee oder Tee" aus
Baden-Baden - Im Garten des Sendezentrums haben Thorsten Fleischmann und seine Kollegen vergleichsweise leichtes Spiel.
Im Freien können sie die Fernsehsendung "Kaffee oder Tee" auch mit Abstands- und Hygienevorschriften gut in Szene setzen. Kameras und Scheinwerfer sind aufgebaut.
In den Gebäuden nebenan, in den Studios, ist dies schwieriger. Das Coronavirus wirbelt den Fernsehalltag durcheinander, wie ein Besuch beim Südwestrundfunk (SWR) zeigt.
"Der Garten ist Gold wert", sagt Fleischmann. Die Grünanlage am Waldrand in Baden-Baden, direkt neben den Fernsehstudios des SWR, geben der Ratgebersendung "Kaffee oder Tee" den passenden Rahmen für Blumen- und Pflanzentipps für Balkon und Garten sowie Expertengespräche.
Die täglich zwei Stunden dauernde Sendung beginnt nachmittags meist hier, bevor sie dann ins Studio wechselt.
Fleischmann ist als Abteilungsleiter der Chef von "Kaffee oder Tee" im SWR Fernsehen mit den Sendegebieten Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland sowie des deutschlandweiten "ARD-Buffet" im Ersten mit rund einer Million Zuschauern pro Ausgabe. Beide Sendungen kommen jeden Werktag live aus Baden-Baden.
Der 51 Jahre alte Fernsehmann hat Anfang März beim SWR in Baden-Baden begonnen, zwei Wochen später kam das Coronavirus. Der Sender ist seither, wie andere auch, in einer Ausnahmesituation. Jahrelang eingespielte Abläufe kollidieren seit drei Monaten mit dem Schutz vor Corona.
"Unsere Fernsehsendungen leben von menschlicher Nähe und von Miteinander", sagt Fleischmann. Gäste kommen in die Sendungen, es gibt Talkrunden, zudem wird im Studio gemeinsam gekocht und gegessen.
Das änderte sich bei den Sendungen
Gearbeitet wird auch hinter den Kulissen Schulter an Schulter: "Wegen Corona ist dies nun nicht mehr wie bisher möglich." In Live-Sendungen wie "ARD-Buffet" und "Kaffee oder Tee" werde dies besonders deutlich.
Um Distanz zu schaffen, wurde die Zahl der Mitwirkenden vor und hinter der Kamera reduziert, in den Regie-Räumen wurden Plexiglaswände eingebaut, im Studio herrscht Maskenpflicht. Statt vier oder fünf, wie vor Corona, sind heute nur noch zwei bis drei Gäste live vor Ort. Alle anderen werden zugeschaltet.
"Das hört sich simpel an, stellt uns aber vor Herausforderungen", sagt Fleischmann. Zum Beispiel beim Schminken vor der Sendung: "Die Maskenbildnerin steht am Schminktisch zwei Meter hinter dem Moderator oder dem Gast und sagt ihm, in welches Schminktöpfchen er den Pinsel halten soll."
Wurden Personen, die vor die Kamera gehen, früher von der Maskenbildnerin geschminkt, müssen sie dies nun selbst erledigen.
Auch Köche, die sonst im Studio am Herd stehen, bleiben in der eigenen Küche und servieren ihre Rezepte per Video-Schalte. Anfangs hatten sie Mühe, für das Kochen in beiden Sendungen genügend Zutaten zu bekommen, sagt eine Redakteurin mit einem Schmunzeln: "Wir wurden im Lebensmittelladen verdächtigt, Hamsterkäufe zu machen."
Die technische Infrastruktur im SWR wurde in Windeseile umgebaut, erzählt Fleischmann mit Blick vor allem auf die Arbeit der IT-Abteilung. Die meisten Redakteure arbeiten, um das Infektionsrisiko zu senken, von daheim aus. Regelmäßig kommt gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut ein Krisenstab zusammen, der die aktuelle Pandemie-Entwicklung im Auge behält. Und die Ausstattungsabteilung des Senders näht Masken für Mitarbeiter.
"Die Sendungen und Sehgewohnheiten haben sich mit der Krise verändert", sagt Fleischmann. Weil Moderatoren nun häufiger alleine im Studio seien, gehe etwas "Gemeinschafts- und Wohlfühlatmosphäre" verloren. Live-Bands im Studio zum Beispiel sind vorerst tabu. Sie spielen im "Homeoffice" und werden live in die Sendung geschaltet.
Corona-Krise bringt auch Positives
Doch die Krise bringe auch Positives: "Erfreulich ist, dass die Zuschauer uns treu bleiben und Verständnis haben, wenn mal nicht alles so läuft wie sonst."
Zudem seien bestehende Strukturen auf den Prüfstand gekommen: "Dass sich Zuschauer über Video in die Sendung schalten und so aktiv werden können, ist etwas Neues. Wir sollten das auch nach Corona beibehalten."
Per Video könnten sich Zuschauer etwa an Gesprächen oder dem Quiz beteiligen. Bei "Kaffee oder Tee" werden sie hierfür bisher nur telefonisch zugeschaltet.
Angepasst wurden die Inhalte. Service habe einen hohen Stellenwert. "Als alle daheim geblieben sind, war Kochen in der Krise ein großes Thema." Schnelle Küche, einfache Gerichte und Vorratshaltung waren gefragt. Daran orientierten sich die Fernsehköche.
Wegen der Pandemie sei der Informationsbedarf hoch, sagt Fleischmann. Darauf reagieren die Magazine mit erklärenden Inhalten und Hintergrundberichten.
Gleichzeitig seien, zur Abwechslung und Unterhaltung, auch Nicht-Corona-Themen gefragt. Diese dürften nicht zu kurz kommen. Was bleibe, sei die Ungewissheit: "Keiner weiß, wann und ob wir wieder zum Fernsehen, wie wir es bislang kannten, zurückkehren werden."
Wegen Corona hat der SWR Fernsehproduktionen gestoppt oder Drehpausen eingelegt, sagt ein Sprecher des Senders. Unterhaltungsshows wie "Verstehen Sie Spaß?", "Immer wieder sonntags", "Schlager-Spaß mit Andy Borg" oder die "Pierre M. Krause Show" werden vorerst ohne Publikum produziert.
Die wöchentliche TV-Serie "Die Fallers" beginnt Ende Juni wieder ihre Dreharbeiten - mit Abstands- und Hygieneregeln.
Titelfoto: Uli Deck/dpa