Extremer Leistungsdruck in sächsischem Birkenstock-Werk? "Schaffe ich nur, wenn ich keine Pause mach"

Görlitz - Früher Ökolatsch, heute absolutes It-Piece: Der Birkenstock-Schuh ist (wieder) in aller Munde, besonders im Sommer zieren die bequemen Outdoor-Hausschuhe zahlreiche Füße. Doch das Kleidungsstück wird immer teurer, Birkenstock schränkt Händler immer mehr ein und es gibt Kritik aus den Produktionsstätten.

Zu den beliebtesten Modellen zählen Arizona und Boston.
Zu den beliebtesten Modellen zählen Arizona und Boston.  © IMAGO / snowfieldphotography

Mehr als 40 Jahre lang verkauft Hartmut Kempmann schon Birkenstock-Schuhe in seinen beiden Läden in Anröchte und Lippstadt (NRW). Doch damit ist bald Schluss. Denn der Hersteller schränkt seine Vertriebswege ein, strebt immer mehr nach Exklusivität, während sich der Preis für das zweiriemige Arizona-Modell innerhalb von zweieinhalb Jahren beinahe verdoppelt hat.

Birkenstock macht dafür gestiegene Rohstoff-, Energie- und Transportkosten verantwortlich, spricht von einer "dramatischen Kostenentwicklung". Aber auch der 2021 mit einer Mehrheit ins Unternehmen eingestiegene Bernard Arnault (75), mit einem geschätzten Vermögen von 233 Milliarden US-Dollar reichster Mensch der Welt, dürfte zur Preisentwicklung beigetragen haben.

"Es kommt nichts mehr", spricht Schuhfachmann Hartmut Kempmann im SWR-Marktcheck an. Einmal durfte er noch bestellen und sich das Lager voll knallen, danach muss er auf den Verkauf der Korklatschen verzichten. Birkenstock schickte ihm und etwa 3000 anderen Händlern ein Schreiben mit der Beendigung der Geschäftsbeziehung.

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Nach einer Übergangsfrist wolle man nicht mehr zusammenarbeiten - weil Dinge wie Qualität der Markendarstellung, Markenumfeld sowie Service- und Beratungsqualität nicht (mehr) den Vorstellungen des Unternehmens entsprechen. "Das alles wird in diesem Brief angezweifelt - das ist unglaublich, unfassbar."

Leistungsdruck in sächsischen Birkenstock-Werken: "Ist mir meine Gesundheit wichtig oder meine Prämie?"

Blick über die Schulter eines Görlitzer Mitarbeiters, der gerade die Grundlage von Fußbetten aus Jute ausstanzt.
Blick über die Schulter eines Görlitzer Mitarbeiters, der gerade die Grundlage von Fußbetten aus Jute ausstanzt.  © dpa/Arno Burgi

Dass Birkenstocks Umsatz seit 2019 stetig gestiegen ist und 2024 ein Plus von 20 Prozent zu 2023 prognostiziert wird, scheinen einige Mitarbeiter nicht zu spüren.

5500 von 6200 Angestellten arbeiten in Deutschland, unter anderem im ostsächsischen Bernstadt auf dem Eigen. Hier sollen die Löhne nur knapp über Mindestlohnniveau liegen, sagt Uwe Garbe von der IG Metall Ostsachsen dem SWR. "Und wir haben schwierige Arbeitsbedingungen."

Die Angestellten würden leistungsbezogen entlohnt werden und Prämien nur durch überdurchschnittlich viel Leistung erhalten, lautet die Kritik aus dem Arbeitsumfeld. "Ich schaffe die Prämie überhaupt nur, wenn ich keine Pause mache. Da muss ich mich fragen: Ist mir meine Gesundheit wichtig oder meine Prämie?", sagt eine Mitarbeiterin anonym.

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Es seien "viele", die die Prämie nicht erhalten und sogar "gerade mal an 100 Prozent kratzen", heißt es.

Birkenstock weist die Kritik zurück. Mitarbeiter würden auch anteilige Prämien erhalten, wenn sie "innerhalb des Zielerfüllungskorridors" blieben. "Von einem über ein normales Maß hinausgehenden Leistungsdruck kann insofern keine Rede sein", äußert sich das Unternehmen im SWR.

Titelfoto: Bildmontage: dpa/Arno Burgi ; IMAGO / snowfieldphotography

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