Beate (†17) wurde vor 29 Jahren ermordet: Ist der Täter bereits tot?
Lutherstadt Wittenberg - Es war einer der tragischsten Vermisstenfälle im Raum Wittenberg (Sachsen-Anhalt) seit der Wende: Beate Landgraf verschwand im Juni 1990 spurlos und wurde drei Monate später tot in einem Waldgebiet gefunden. Die Ermittlungen konzentrierten sich auf einen Brieffreund, mit dem sich die damals 17-Jährige traf. Doch höchstwahrscheinlich hat sie ein Mann umgebracht, der schon jahrelang tot ist. Den Fall behandelte die MDR-Sendung "Die Spur der Täter" jetzt wieder aktuell.
"Sie hatte versucht, irgendeine rettende Stelle zu finden. Und das bedeutet, dass sie um ihr Leben gerannt ist", erzählt Beate Landgrafs Vater Werner heute. Der ehemalige Ingenieur und seine Frau Ingeborg kämpften jahrzehntelang dafür, dass der Mörder ihrer geliebten Tochter doch noch gefunden wird.
Rückblick: Die begeisterte Langstreckenläuferin machte sich am 18. Juni 1990 mit dem Zug auf den Weg von ihrer Heimat Wittenberg nach Wiesenburg, wo sie im dortigen Internat während der Schulzeit lebte.
Außerplanmäßig stoppte die Regionalbahn an diesem Tag aber in Coswig, alle Passagiere mussten aussteigen. Es gab Schienenersatzverkehr nach Roßlau. Der Platz vor dem Bahnhof war voller Reisender. "Und Beate mittendrin, 17-jährig. Niemand konnte sie beraten, sie musste selber entscheiden", so ihr Vater heute.
Wie sie sich entschied, ist bis heute ungeklärt. Um 13 Uhr verliert sich ihre Spur. Am Abend wollte Mutter Ingeborg ihre zuverlässige Tochter als vermisst melden, doch erst am nächsten Morgen wurde die Anzeige aufgenommen.
"Wir hatten nicht die Bohne daran gedacht, dass Beate hier so eng in diesem kleinen Bereich liegen könnte", sagt ihr Papa. Denn nur 20 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt wurde die Leiche der Jugendlichen am 12. September 1990 gefunden. Pilzsammler Lutz Horn berichtet vom Auffinden: "Ich hab immer mit meinem Moped Runden im Wald gedreht. Das hab ich dann abgestellt, bin über die Stellung der Russen gegangen, hab reingeschaut und die Jeanshose gesehen. Dann hab ich noch mal hingeschaut und die Knochen rausschauen sehen und dann auch das Oberteil."
Ist der Mörder schon längst verstorben?
Vier Meter voneinander entfernt lag Beate in zwei Stücke geteilt. Vermutlich durch Tierfraß. DNA konnte aufgrund der fortgeschrittenen Verwesung keine mehr gesichert werden. Der damalige DNA-Stand war ohnehin gerade in den Kinderschuhen.
Erst 2018 wurde gegen einen Mann ermittelt, mit dem sich Beate Landgraf am Vortag ihres Verschwindens getroffen hatte. Sie hatten sich über eine Zeitungsannonce kennengelernt. Der fast zwei Jahre ältere Berliner besuchte sie in Wittenberg, doch es funkte nicht. "Der ist zu weich für mich, hat sie gesagt", so Papa Werner.
Aufgrund der verschmähten Liebe wird der Brieffreund zum Tatverdächtigen. 2010 tauchte ein Schreiben im Internet auf, in dem er auf den Mord an Beate reagierte. "Noch heute denke ich sehr oft an sie und kann nicht begreifen, was und vor allem warum es passiert ist. Ich sehe immer noch ihr Lachen, höre ihr Necken."
Äußerst verdächtig für die erneut ermittelnde Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau. "Es war ungewöhnlich, dass jemand, der nur ganz kurz mit dem Opfer Kontakt hatte, sie Jahre später noch verehrt", so Oberstaatsanwalt Hermann-Josef Gerhards. Aufgrund seines Persönlichkeitsbild kam der Berliner aber eher nicht als Täter in Frage.
Ebenfalls tatverdächtig war Günther G. Zum Tatzeitpunkt 1990 hatte er in Coswig gewohnt, nicht weit entfernt vom späteren Leichenfundort. Der Arbeitslose behauptete damals, in mehreren Firmen vorstellig gewesen zu sein. Keine der Unternehmen konnten dies aber bestätigen. Dennoch wurde der Fall 1992 aufgrund der erschöpften Ermittlungsmöglichkeiten eingestellt.
G. verzog in die Nähe von Ulm, ermordete dort 1992 eine 14-jährige Tramperin und warf sie in einen Fluss. Er wurde wegen Mordes verurteilt. Und es gibt mögliche Parallelen zur Tötung an Beate Landgraf. Noch verdächtiger: Fünf Jahre nach dem Mord an der 17-Jährigen ließ er seinen Trabant verschrotten - um Spuren zu verwischen?
Das lässt sich heute nicht mehr klären. Denn 2003 verstarb Günther G. Seinen möglichen zweiten Mord hat er mit ins Grab genommen.