Der Bachelor: Was einem Mann beim Zuschauen durch den Kopf geht
Mexico - "Willst Du Dir den Tag versauen, musst Du deutsches Fernsehen schauen". Das hatte einmal Otto Waalkes (71) gesagt. Zu dieser Zeit stand der Bachelor aber noch für irgendwas mit Bildung. Dann kam RTL und ergänzte die Bedeutung dieses Begriffs um einen schwerreichen, gutaussehenden Junggesellen, der im TV nach der Liebe sucht.
Und dann vergingen weitere 15 Jahre und es kam ein krimineller Maler in einem zu kleinen Anzug daher, der versucht, Jennys flachzulegen...
Ich habe mir am Mittwoch den Staffelauftakt der RTL-Sendung "Der Bachelor" angeschaut. Der Tag war eh Mist. Ein Flugzeugabsturz sorgt für Trauer und Erschütterung, die Welt kriselt in Nahost und Mark Forster ist mit Lena Meyer-Landrut zusammen. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen.
DAS PROTOKOLL:
Es geht los: Ich schalte ein und sehe Manuel Neuer. Er jammert in die Kamera, dass er in München kriminell geworden sei. Hat er sich von Uli Hoeneß bei der Steuererklärung helfen lassen, frag ich mich. Nein. Er wuchs im Münchner "Ghetto" auf und hat dort andere Leute verprügelt. Münchner Ghetto?! Dort leben offensichtlich nur die Leute, bei denen es nur für einen Porsche reicht.
Nach 7 Minuten: Es ist nicht Manuel Neuer, sondern tatsächlich der neue Bachelor. Er heißt Sebastian Preuss. Ist groß, sportlich und auch tatsächlich sehr hübsch. Mit einem dicken Kloß im Hals jammert er aber immer noch über seine Vergangenheit. Zu einer Zeit im Knast kommt nun noch ein toter Bruder hinzu. In Tötensen kullert gerade eine Träne von Dieter Bohlens Wange. Mit der Geschichte wäre der ein super Finalist für DSDS gewesen.
Nach 18 Minuten: In einem Schnelldurchlauf werden etliche Mädels gezeigt, unterbrochen von Zitaten wie "Ich bin Model" oder "Ich bin nicht hier, um Freundinnen zu finden". Ich fühle mich irgendwie eingezäunt. Überall Vollpfosten.
22 Frauen biedern sich dem Bachelor an
Nach 23 Minuten: Die Frauen sehen alle ziemlich gleich aus. Und dann sind da auch noch Zwillinge dabei! Chapeau RTL, Ihr wollt es uns mal so richtig geben. Die beiden Zwillinge erzählen irgendwas davon, dass sie sich den Mann einander gönnen würden, zeigen dabei sehr viel Brust und sehen minderjährig aus. Beim Wendler hebt sich gerade eine Augenbraue.
Nach 28 Minuten: Die Kandidatinnen stellen sich vor. Fast alle heißen Jenny. Sie erzählen irgendwas aus ihrem bisher gescheiterten Leben. Um so mehr zu Wort kommen, desto deutlicher wird, wie schwer es doch inzwischen ist, dumm zu sein. Die Konkurrenz nimmt ständig zu!
Nach 35 Minuten: Limousinen karren die "Ladies" an wie Sandsäcke. Die Autos kotzen eine Jenny nach der anderen vor die Füße des Bachelors. Geblendet von den vielen Glitzerkleidern schaut er wie ein Reh in den Scheinwerferkegel eines heranrasenden Lasters. Dabei zeigt er sich trotzdem clever: nach ein paar Jennys fragt er gar nicht mehr erst nach dem Namen.
Nach 46 Minuten: Für eine glorreiche Liebe ist es von Vorteil, gemeinsame Interessen zu haben! Der Bachelor erzählt auf Nachfrage der "Ladies", dass er Maler sei. Den zugespachtelten Gesichtern der Jennys zufolge, sind sie das auch.
Nach 52 Minuten: Die würdelose Fleischbeschau wird durch Werbung unterbrochen. Lidl zeigt sein neues Veggi-Hack. Die haben wenigstens Humor.
Nach 62 Minuten: Es geht weiter. Eine Kandidatin bringt dem Bachelor als Begrüßungsgeschenk eine Einweg-Kamera mit. "Damit wir unsere gemeinsamen Momente festhalten", sagt sie rührend. Dass sie und jedes ihrer Körperteile aus allen Winkeln in den nächsten Wochen gefilmt werden, sagt ihr hoffentlich mal noch einer der RTL-Leute am Set.
Nach 73 Minuten: Die Gespräche der Frauen in den Limousinen sind pure Lyrik: "Pass auf deine Brüste auf beim Aussteigen" oder "Mist, ich habe Mundgeruch - egal." Eine der Ladies sagt, ihr Beuteschema sei: "groß, hübsch, blond, deutsch". Björn Höcke bekommt in Thüringen gerade eine Erektion.
RTL bemüht sich nicht mal mehr, mich zu verarschen
Nach 80 Minuten: Mein Gesicht ist inzwischen eingeschlafen wie das vom Bachelor. Endlich sind alle Kandidatinnen in die Villa verfrachtet worden, dort tauschen sie sich in gewohntem Tiefgang aus.
Eine sagt kritisch, der Bachelor sei schön aber nicht hübsch. Sie war wohl auf der Carmen-Geiss-Universität für angewandte Poesie. Ich ergänze: Die Sendung ist witzig, aber nicht lustig. Und billig, aber nicht günstig.
Nach 95 Minuten: ... und langatmig! Junge, verteile endlich Deine Schnittblumen. Es zieht sich gewaltig in die Länge.
Nach 104 Minuten: Es ist soweit, nun bekommt jede Frau, die der Bachelor mag, ein Blümchen als Trost, dass sie noch bleiben muss. Äh darf. Tatsächlich gestehen bereits jetzt die ersten Frauen in die Kamera, eh nur für den Fame da zu sein.
RTL gibt sich gar keine Mühe mehr, mich zu verarschen. Der Bachelor wird es schwer haben, hier lange die Suche nach der "wahren Liebe" zu mimen.
Nach 109 Minuten: Die "Nacht der Rosen" läuft auf Hochtouren. Mit den Namen der Ladies hat er es dabei nicht so. Dabei müsste er doch nur Jenny sagen. Aber er beweist gar kein Köpfchen: Er schmeißt tatsächlich die wenigen Mädels raus, die nicht Jenny heißen!! Und auch die Zwillinge bekommen keine Rose. RTL schon in der ersten Folge direkt mal ins Drehbuch gespuckt. Jetzt wird der Typ mir doch sympathisch.
Nach 120 Minuten: Vorbei! Ich habe nun zwei Stunden zugeschaut, wie Frauen zur besten Sendezeit als Ware vorgeführt werden, wie es in einem muslimischen Harem nicht besser laufen kann. Respekt RTL. Die Chance einer Modernisierung dieses Konzeptes wieder verpasst.
Dabei bin ich mir sicher, man könnte auch Menschen unterhalten, ohne naive Kurzstrecken-Denker vorzuführen. Die Sendung dauert vielleicht nur 120 Minuten, darin gehen aber jahrzehntelange Emanzipation flöten.
Die moderne Rolle der Frau in unserer Gesellschaft ist für RTL offensichtlich eine nicht ernstzunehmende "Rolle". Zum Glück muss man im Gegenzug dieses Format ebenso wenig ernst nehmen. Vielleicht will der Sender genau das.