Hartz-IV-Paar aus Chemnitz: Deshalb muss das Amt weiter zahlen

Chemnitz - Auch zwei Tage nach der Ausstrahlung bewegt der Fall der Chemnitzer Hartz-IV-Familie in der RTL2-Dokumentation "Armes Deutschland" noch immer viele Zuschauer (TAG24 berichtete).

Christiane Fiedler (59), Chefin der Chemnitzer Tafel, weist die Vorwürfe des Hartz-IV-Paares deutlich zurück.
Christiane Fiedler (59), Chefin der Chemnitzer Tafel, weist die Vorwürfe des Hartz-IV-Paares deutlich zurück.  © Christof Heyden

Besonders Pfarrerin Hiltrud Anacker (50), die der Familie hilft, erntet Mitleid. Dagegen wehrt sich Tafelchefin Christian Fiedler (59) jetzt gegen die Vorwürfe des Paares, es gebe vergammeltes Essen in ihrer Einrichtung.

Simone M. (55) und Denis L. (33) brachten es in den vergangenen Tagen mit ihrem TV-Auftritt zu fragwürdigem Ruhm. Beide leben seit Jahrzehnten vom Amt, gehen nicht arbeiten. Ihre Miete zahlt das Jobcenter, von den rund 700 Euro, die das Paar monatlich zur Verfügung hat, geht das meiste für Zigaretten und die Haustiere drauf.

Deshalb führte der Weg, wenn der Kühlschrank leer war, oft zu Pfarrerin Anacker, die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch in Chemnitz arbeitete. Sie ging vom eigenen Geld mit den beiden einkaufen, erntete für ihre Hilfe und den Versuch, Denis Arbeit zu verschaffen, aber nur Spot von ihm. "Es gibt immer wieder Situationen, in denen Menschen Hilfe brauchen", sagt Anacker auf TAG24-Anfrage, warum sie dem Paar immer wieder unter die Arme griff.

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"Wer zu mir kommt und sagt, er hat Hunger, dem gebe ich Essen oder gehe mit ihm einkaufen. Ich versuche zu helfen, wo es geht. Und dabei falle ich vielleicht auch mal auf die Nase. Aber lieber einmal zu viel geholfen, als zu wenig."

Nicht mal für die Tafel würde das Geld vom Amt reichen. "Die wollen vier oder fünf Euro und das Busticket müssen wir auch noch zahlen", so Simone. Später im Beitrag sagt sie auch, die Lebensmittel bei der Tafel seien verdorben.

Pfarrerin Hiltrud Anacker (50) half den Hartz-IV-Empfängern in der Not.
Pfarrerin Hiltrud Anacker (50) half den Hartz-IV-Empfängern in der Not.  © Kristin Schmidt

Gegen diese Vorwürfe wehrt sich die Chefin der Chemnitzer Tafel vehement. "Also zu allererst: Wenn ein Paar zu uns kommt, verlange wir für die erste Person zwei Euro, jede weitere Person zahlt bei uns einen Euro, maximal muss eine Familie fünf Euro bezahlen", sagt Christiane Fiedler (59).

"Dafür gibt es dann Waren im Wert von 50 bis 60 Euro. Obst, Gemüse, Backwaren, Joghurt, Wurst, Käse." Die Aussage, dass die Lebensmittel der Tafel verdorben seien, findet Fiedler ganz besonders schlimm. "Wir werden streng kontrolliert, dürfen selbstverständlich kein Essen ausgeben, das ungenießbar ist."

Wie reagiert das Jobcenter nach Ausstrahlung der Sendung auf die Aussagen ihrer Klienten? Einfach die Bezüge kürzen können die Sachbearbeiter nicht. "Das Arbeitslosengeld kann gemindert werden, wenn ein konkretes widriges Verhalten vorliegt", sagt Stefanie Ebert, Sprecherin der Agentur für Arbeit in Chemnitz.

"Im Falle von Frau M. wurden bereits Leistungen gekürzt, die jedoch nichts mit der TV-Ausstrahlung zu tun haben. Allein die mündlichen Äußerungen im TV reichen nicht aus, um weitere Gelder zu kürzen."

Sollten Simone M. und Denis L. aber Honorar für ihren Auftritt im Fernsehen bekommen haben, könnte es nun Probleme für sie geben. "Honorare für TV-Aufnahmen werden bei der Berechnung von Hartz IV-Leistungen berücksichtigt. Das Jobcenter Chemnitz prüft, ob Frau M. ihre gesamten Einnahmen angezeigt hat", so Ebert.

Der Fall von Simone M. und Denis L. geht kommende Woche weiter. In der nächsten Folge der RTL2-Sendung (17. September) sind die beiden wieder Thema.​

Simone M. (55) und Denis (L.) sorgten mit ihrer Arbeitsverweigerung für Empörung. Einzig Sohn Basti (17) geht arbeiten.
Simone M. (55) und Denis (L.) sorgten mit ihrer Arbeitsverweigerung für Empörung. Einzig Sohn Basti (17) geht arbeiten.  © RTL II, Good Times Fernsehproduktion

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