Ermordete Tochter in Badewanne: "Ein normaler Mensch kann sich so was nicht vorstellen"
Poing - Das Leben von Gudrun W. (†38) endete viel zu früh. Offenbar wurde ein Spanner zu ihrem Mörder, der wahrscheinlich noch mehr Menschen umgebracht hätte, wenn er nicht gestoppt worden wäre.
Gudrun W. hat sich kürzlich von ihrem langjährigen Partner getrennt, genießt das Single-Leben. Am 10. August 2002 besucht sie ihre Eltern, verabredet sich mit ihrem Vater am folgenden Dienstag zum Heckeschneiden in ihrem Vorgarten im bayrischen Poing (Landkreis Ebersberg).
An jenem 13. August öffnet seine Tochter aber nicht, weshalb ihr Vater mit einem Zweitschlüssel in die Wohnung gelangt, die übel zugerichtete Elektroingenieurin nur mit einem BH bekleidet tot in ihrer fast vollständig gefüllten Badewanne findet. Ein "schreckliches Szenario", wie es Stefan Kühnel von der Kripo Erding in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" beschreibt.
"Die Art und Weise der Tatbegehung ließ einem die Haare zu Berge stehen", sagt dessen ehemaliger Kollege Anton Wegmaier. "Ein normaler Mensch kann sich so was überhaupt nicht vorstellen."
Mit Badezusätzen und Reinigungsmitteln hat der Täter vermutlich versucht, Gerüche zu unterbinden und Spuren zu vernichten. Die Tat wird so rekonstruiert: Die 38-Jährige wurde im Wohnzimmer erstochen, vor oder nach ihrem Tod sexuell missbraucht und in die Badewanne gebracht.
Aktenzeichen XY... Gelöst: "Absolut sicher, dass wir einen potenziellen Serienmörder aufgehalten haben"
Von einem Anliegerweg kann man über eine Hecke und ein kleines Gartentor nahezu ungehindert in die Wohnung der Getöteten schauen. War es ein Spanner, dem das Schauen allein nicht mehr reichte? Dafür spricht, dass ein 14-jähriger Nachbar in der Tatnacht einen ums Haus schleichenden Mann gesehen hat.
1475 männliche Siedlungsbewohner unterziehen sich einer DNA-Reihenuntersuchung. Bis Oktober 2003 wurden knapp 5000 (bis dato negative) DNA-Tests durchgeführt.
Bereits im Dezember 2002 findet die Freundin des Mörders ein Video der Tatbegehung. Erst am 21. Oktober 2003 traut sie sich aber, zur Polizei zu gehen. Michael F. wird in derselben Nacht festgenommen. Der DNA-Check ist positiv.
In einem Karton im Keller seiner Mutter findet man 30 in Plastiktüten eingeschweißte Damenslips. Auch die Tatwaffe aus dem Besitz des Opfers befindet sich dort. Er habe sie nur außer Gefecht setzen und filmen wollen, um das Material auf seiner Homepage einzustellen, auf der er bereits weitere Taten ankündigte.
Außerdem wird ein Zettel mit 14 Telefonnummern von Single-Frauen aus Erdgeschosswohnungen gefunden. "Wir sind uns absolut sicher, dass wir einen potenziellen Serienmörder vor seiner zweiten Tat aufgehalten haben", so Kühnel.
Badewannen-Mord: "Menschen, die sexuelle Tötungsfantasien entwickeln, werden nicht zwangsläufig zu Mördern"
Das Landgericht München verurteilte den zur Tatzeit 20-jährigen Familienvater zur für Heranwachsende im Jugendstrafrecht möglichen Höchststrafe von zehn Jahren und der Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie.
2012 stellt Michael F. Antrag auf vorzeitige Haftentlassung oder Verlegung in den normalen Strafvollzug. Beides wird abgelehnt. Im Januar 2013 nimmt er sich das Leben.
Kriminalpsychologin Lydia Benecke (41), die sich intensiv mit dem Fall beschäftigte, sagt: "Menschen, die sexuelle Tötungsfantasien entwickeln, werden nicht zwangsläufig zu Mördern. Im Allgemeinen differenzieren sie zwischen ihrer Fantasie und der Realität, verfügen über eine funktionierende Gewissensinstanz und Impulskontrolle."
Das sei im Badewannen-Mord von Poing anders: "Der Täter wies eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit schizoiden, narzisstischen und dissozialen Anteilen auf. Er war gefühlskalt und fühlte sich im Kontext seiner Tat nicht schuldig."
Die ganze "Aktenzeichen XY... Gelöst"-Sendung seht Ihr noch bis 7. April in der ZDF-Mediathek.
Normalerweise zieht die Redaktion es vor, nicht über Suizide zu berichten. Da sich der Vorfall allerdings im Zusammenhang mit einem Mordfall abgespielt hat, hat sich die Redaktion entschieden, es zu thematisieren.
Solltet Ihr selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, bei der Telefonseelsorge findet Ihr rund um die Uhr Ansprechpartner, natürlich auch anonym. Telefonseelsorge, bundeseinheitliche Nummer: 08001110111 oder 08001110222 oder 08001110116123.
Titelfoto: Bildmontage: ZDF/Saskia Pavek, ZDF