Sandra Hüller erhält Preis: "Möchte, dass ihr die Welt nach dem Film vielleicht ein bisschen anders seht!"
Hamburg - Sandra Hüller (45) wurde am Samstagabend im Rahmen des Filmfests Hamburg und der Deutschlandpremiere des Krimidramas "Anatomie eines Falls" mit dem renommierten Douglas Sirk Preis ausgezeichnet. Sie ist erst die zweite deutsche Schauspielerin, die diese Auszeichnung erhält.
"Der Preis an Sandra war längst fällig", erklärte Albert Wiederspiel (62). Die Frage nach dem wofür würde sich gar nicht stellen. "Eigentlich haben wir nur auf eine Gelegenheit gewartet, ihn ihr zu geben", so der Festivalleiter weiter, der schon im Vorfeld gegenüber TAG24 von Sandra Hüller schwärmte. "Für mich ist sie die größte deutsche Schauspielerin, die wir momentan haben".
Am Samstag richtete der 62-Jährige dann noch einmal "persönliche Worte von der Bühne" an die Schauspielerin: "Ich bin jemand, der selbst keine Muttersprache hat. Ich lebe nur in und mit Fremdsprachen und wie die Protagonistin in 'Anatomie eines Falles' auch genau damit hadert und zwischen zwei Fremdsprachen - Französisch und Englisch - kämpft, das ist ganz große Kunst."
Schauspieler und Freund Jens Harzer (51) hielt für Sandra Hüller die Laudatio.
Er sprach über ihre besondere Gabe, ihre gemeinsame Arbeit und ihren neuen Film "Anatomie eines Falls", den er zum Leid des Premieren-Publikums inklusive Ende spoilerte.
Jens Harzer über den Widerspruch in Hüllers Spiel
In seiner Rede erinnerte er sich an ihre erste gemeinsame Zeit vor der Kamera für die Dreharbeiten zu dem Film "Requiem". "Schon damals kreierte sie eine ganz eigene Form der Verlorenheit, die aber unbedingt auf ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit besteht. Was für ein Widerspruch", so Harzer bewundernd.
"Für mich beschreibt dies ganz genau Sandras Einzigartigkeit, ihre absolut singuläre Stellung als Schauspielerin im Film und im Theater. Es ist gewissermaßen ein Paradox, unterstützt von einem profunden und wirklich scheinbar mühelos abrufbaren handwerklichen Können."
Gemeinsam mit Bürgermeister Peter Tschentscher (57, SPD) überreichte Wiederspiel der glücklichen Schauspielerin unter tosendem Applaus den Ehrenpreis. Fast schon überwältigt musste sie erst mal tief durchatmen.
"Weil ich eine faule Schauspielerin bin, habe ich nichts vorbereitet", verriet die 45-Jährige in ihrer Dankesrede. "Ich dachte, wenn ich dann hier bin, wird mir schon etwas einfallen. Aber jetzt fehlen mir natürlich die Worte."
Ihr Dank galt dann vor allem ihrem Freund Harzer, ihrer Presse-, Schauspielagentin und natürlich Albert Wiederspiel, den sie froh war, in seiner letzten Festivalsaison noch kennengelernt haben zu dürfen
"Ich möchte jetzt eigentlich nur, dass ihr diesen Film anguckt und darin die Zeit vergesst und die Welt vielleicht ein bisschen anders seht, wenn er aufgehört hat", beendete Hüller ihre Rede und somit auch den kleinen Festakt.
Darum geht es in "Anatomie eines Falls"
"Anatomie eines Falles" ist eine französische Produktion der Regisseurin Justine Triet (45).
Neben Sandra Hüller sind unter anderem Swann Arlaud (41) als ihr Anwalt, wie auch Jungschauspieler Milo Machado Graner (15) in der Rolle ihres elfjährigen Sohnes zu sehen.
Er ist es auch, der seinen im blutroten Schnee liegenden toten Vater vor ihrem Familien-Chalet in Grenoble (Frankreich) entdeckt. Die Obduktion des Mannes: uneindeutig. Im Haus befand sich zum Zeitpunkt seines Todes nur seine Ehefrau Sandra (gespielt von Sandra Hüller), die entsprechend verdächtigt wird, ihren Mann getötet zu haben.
War es Selbstmord? Dass er einfach gefallen ist, glaubt jedenfalls nicht einmal Sandras Anwalt. Was ist wahr, was ist nur Wahrnehmung?
Eine mitreißende Geschichte, emotional und grandios von Justine Triet erzählt, die wiederum Hüller erlaubt habe, "das so zu spielen, wie ich es richtig finde", erzählte die Schauspielerin im Gespräch mit TAG24.
Im Rahmen des Filmfests Hamburg läuft "Anatomie eines Falles" am Dienstag, 3. Oktober, erneut um 12 Uhr im Abaton Kino. Tickets gibt es unter filmfest-hamburg.reservix.de. Ab dem 2. November läuft das Krimadrama dann bundesweit in den deutschen Kinos an.
Erstmeldung am 30. September um 21.30 Uhr. Aktualisiert am 1. Oktober um 8.44 Uhr.
Titelfoto: Tag24/Madita Eggers