Top Sportler trotz veganer Ernährung: "Es fehlt mir nichts, weil..."
Berlin - Breit wie ein Schrank, stark wie ein Ochse: Patrik Baboumian (43) gewann 2011 den Titel "Stärkster Mann Deutschlands". Was ihn wohl von vielen Kraftsportlern unterscheidet: Der Muskelmann mit dem Wolverine-Backenbart ernährt sich vegan und ist damit erfolgreich. So schleppte der 1,70 Meter große Herkules 2015 beim "Yoke Walk" stolze 560 Kilo Gewicht über zehn Meter - und sicherte sich seinen dritten Weltrekord. TAG24 traf den sympathischen Strong-Man mit dem ansteckenden Lachen zum Interview.
TAG24: Sie sind seit 2005 Vegetarier, seit 2011 Veganer, schon immer Tierfreund und Ihr erster Job zu Schulzeiten war in einer Fleischwarenfabrik. Gab es einen Schlüsselmoment oder Auslöser, sich wegen der Tiere für eine vegane Lebensweise zu entscheiden?
Patrik Baboumian: "Es war eigentlich so ein schleichender Prozess. Es gab jetzt gar keine externe Ursache. Wenn überhaupt, dann ein Krähen- oder Rabenbaby, was wir aufgepäppelt haben. Das war genau die Zeit, da habe ich einfach irgendwann gedacht: So, ich habe jetzt wochenlang versucht, diesem einen Vogel zu helfen und in diesen ganzen Wochen habe ich wahrscheinlich dreißig Hühner gegessen. Da habe ich mich zunächst gewundert, warum."
Dann ist für mich später klar geworden: In dem einen Fall sehe ich ein Individuum vor mir. Wenn ich hingegen in den Supermarkt gehe, sehe ich nur das fertige, sterile Produkt. Das kommt auch nicht von ungefähr, dass man Schlachthöfe hinter großen Mauern versteckt. Ich bin auch teilweise auf dem Dorf groß geworden. Wenn dort geschlachtet wird, hörst du das Schreien der Schweine kilometerweit. Da möchte ich auch behaupten, dass die Leute keine Lust auf die Wurst haben, wenn sie das einmal mitbekommen haben.
TAG24: "Ich will auf mein Steak, meine Schinkenwurst nicht verzichten." Dieser Satz fällt oft. Ist Veganismus denn Verzicht oder doch eine Bereicherung?
Patrik Baboumian: "Man muss natürlich auch immer sehen, wann jemand vegan wird. Als ich das vor fast zwölf Jahren gemacht habe, war das anders als heute. Damals gab es relativ wenig Auswahl an Alternativen und Möglichkeiten, sich vegan zu ernähren, und trotzdem sich auch Sinneseindrücke zu holen, die man sonst eben von Wurst oder so gewöhnt ist.
Heute ist es total easy. Wenn man erst mal anfängt, sich intensiver mit Ernährung auseinanderzusetzen, entdeckt man so viel. Ich habe auch vorher gewusst, was Tofu ist, aber das Zeug sah nie sexy aus. Da hatte ich keinen Drive, diesen Klumpen zu probieren, bis ich über den Tellerrand geschaut habe.
Es gibt einen Haufen Zeug da draußen, das wir gar nicht wahrnehmen. Eine solche Veränderung kann oft schnell bereichernd sein, weil wir neue Sachen kennenlernen, auch wenn wir mit ihr verbunden vorher konsumierte Produkte weglassen."
Patrik Baboumian: "Ich bin ja nicht umsonst so ein netter, dicker kleiner Junge"
TAG24: Gab es in Ihrem Leben auch Rückschläge oder Momente, in denen Sie tierische Produkte gegessen haben? Falls ja, wie kam es dazu?
Patrik Baboumian: "Ich habe beim ersten Anlauf als Vegetarier nach zwei Wochen das Problem gehabt, dass wir mit der ganzen Clique essen waren und da gab es nur Pizza, aber keine vegetarische. Ich habe also am Ende die ganze Salami von meiner Pizza gesammelt. Und dann dachte ich, okay, wenn die jetzt weggeworfen wird, hat auch keiner etwas davon, und ich habe sie gegessen.
Was wichtig ist aber, dass ich am nächsten Tag gesagt habe: wieder zurück auf die Bühne. Viele Leute haben Furcht vor Misserfolg und sollten lernen, mutiger zu sein.
Wenn es nicht geklappt hat, ist das nicht schlimm. Viel wichtiger ist, dass ich den Drive habe, einfach irgendetwas besser zu machen. Also habe ich mich am nächsten Tag wieder hingesetzt und es dann durchgezogen."
TAG24: Gibt es denn etwas, was Ihnen fehlt?
Patrik Baboumian: "Es fehlt mir nichts, weil es Alternativen gibt. Aber eines der wichtigen Sachen für mich ist Schokoladeneis. (lacht) Also gerade, wenn ich unterwegs bin. Ich habe früher gerne Unmengen von Eis gegessen. Mittlerweile gibt es total gute Alternativen.
Was wirklich nach wie vor eine Herausforderung sein kann, ist natürlich, dass du nicht an jeder Ecke eine super gute Sache findest. Aber selbst das kann sich als Vorteil herausstellen. Das bedeutet am Ende nichts anderes, als dass du dich halt darauf vorbereitet. Wenn du unterwegs bist, selbst Essen dabei hast, sparst du Geld und du isst meistens bessere Sachen."
TAG24: Ein ebenfalls häufiger Spruch ist: "Veganer bauen sich Schnitzel und Wurst nach." Sind Tierersatzprodukte Selbstbetrug?
Patrik Baboumian: "Ich würde sogar sagen, das ist das exakte Gegenteil von Selbstbetrug. Wenn ich dieses Produkt kaufe, dann gestehe ich ein, dass ich das Geschmackserlebnis gut finde. Was ich aber nicht gut finde, ist, dass dafür ein Tier sterben muss und einfach ausgebeutet werden muss. Selbstbetrug ist eher der Fall, wenn ich sage: Ich finde die total süß da auf der Weide, aber die schmecken halt auch so gut. Da ist die Diskrepanz.
Wenn jemand es aber nachbaut, weil er dieses Erlebnis haben will und nicht möchte, dass ein Lebewesen dafür stirbt oder ausgebeutet wird, dann ist es noch ehrlicher.
Manche Veganer neigen auch zu einem extremen Verhalten und ernähren sich rein mit Rohkost. Man muss es sich aber nicht sinnlos schwer machen. Ich selbst esse ziemlich viel verarbeitetes Zeug. Ich bin ja nicht umsonst so ein netter dicker kleiner Junge. (lacht)
Ich bin ein Genussmensch und der Meinung, dass man Dinge besser machen kann, als man das meistens jetzt traditionell macht. Man kann sich weiterentwickeln, ohne dass das in Askese enden muss oder man an Lebensqualität einbüßt."
Patrik Baboumian veröffentlicht Comic-Buch und arbeitet an Videospiel
TAG24: Ist Deutschland auf einem guten Weg zur veganen Lebensweise?
Patrik Baboumian: "Deutschland insgesamt ist auch im internationalen Vergleich sehr, sehr gut. Ich hatte das Gefühl, dass Deutschland sogar einer der Motoren international war, was das angeht.
Ich habe international viele Vorträge gehalten und wenn ich dann unterwegs war, habe ich gemerkt, bei uns war es noch mit am besten, was die Verfügbarkeit von Produkten anging. Andere Länder wie England haben aber stark nachgeholt. Das heißt, die Welt zieht jetzt stark nach und ich habe das Gefühl, Deutschland schläft ein bisschen ein."
TAG24: Gibt es Pläne, Ziele oder Projekte für die Zukunft? Steht etwas an?
Patrik Baboumian: "Bevor es mit der Pandemie losging, habe ich neben dem Schreiben von Büchern hauptsächlich Vorträge gehalten. Das ist komplett von einem Tag auf den anderen weggefallen. Also brauchte ich eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Zum einen, um Rechnungen zu bezahlen. Zum anderen war mir auch langweilig.
Mir ist damals so eine Filmidee durch den Kopf gespukt und ich habe dann überlegt, diese als Comic umzusetzen. Mit dem Kickstarter haben wir es dann erfolgreich umgesetzt und 2021 das Buch veröffentlicht. Seit gut zwölf Monaten arbeite ich daran, die Geschichte als Videospiel umzusetzen. Dafür gehen 90 Prozent meiner Arbeitskraft drauf, sei es für die Finanzierung oder für das knallharte Programmieren."
Titelfoto: Denis Zielke/TAG24